Fehlerhaftes Amyloid zeigt Alzheimer 14 Jahre vor Ausbruch an

Bluttest zeigt Alzheimer-Risiko Jahre vor dem Ausbruch der Demenz-Erkrankung an – Foto: ©jarun011 - stock.adobe.com
Eine fehlerhafte Faltung des Proteins Amyloid-β im Blut zeigte bei Menschen, die tatsächlich später Alzheimer entwickelten, ein deutlich erhöhtes Erkrankungsrisiko an. Der Marker funktionierte bis zu 14 Jahre vor der klinischen Diagnose der Demenz.
Dies zeigten Wissenschaftler vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ), der Ruhr-Universität Bochum (RUB), des Krebsregisters des Saarlands und des Netzwerks Alternsforschung der Universität Heidelberg.
Krankheit wird zu spät diagnostiziert
Bis heute gibt es keine wirksame Therapie gegen die Alzheimer-Demenz. Das liegt vor allem daran, dass die Krankheit erst weit nach ihrem eigentlichen biologischen Start klinisch diagnostiziert werden kann - wenn charakteristische Symptome wie etwa Vergesslichkeit auftreten. Die zugrunde liegenden Gehirnschädigungen sind dann aber bereits weit fortgeschritten und irreversibel.
"Inzwischen liegen alle Hoffnungen darauf, mit neuen Therapieansätzen in dieser symptomlosen Frühphase der Erkrankung präventiv einzugreifen. Um solche Ansätze in Studien zu prüfen, ist es entscheidend, Menschen zu identifizieren, die ein besonders hohes Risiko haben, Alzheimer zu entwickeln", sagt Hermann Brenner, der im DKFZ die Abteilung Klinische Epidemiologie und Alternsforschung leitet.
Fehlgefaltetete Proteine verklumpen
Bei der Alzheimer-Krankheit kommt es zu einer fehlerhaften Faltung des Amyloid-β-Proteins, die bereits 15 bis 20 Jahre vor dem Auftreten der ersten Symptome beginnt. Die fehlgefalteten Proteine verklumpen und lagern sich als Amyloid-Plaques im Gehirn ab. Ein von Klaus Gerwert, RUB, entwickeltes Untersuchungsverfahren kann im Blut nachweisen, ob die Amyloid-Proteine abnormal gefaltet sind.
In einer vorangegangenen Arbeit hatten Gerwert und Brenner bereits gezeigt, dass sich die Amyloid-β-Veränderungen im Blut schon viele Jahre vor dem klinischen Ausbruch der Krankheit im Blut feststellen lassen. Sie konnten ebenfalls zeigen, dass der Nachweis von fehlgefaltetem Amyloid im Blut mit der Plaque-Bildung im Gehirn korreliert, heißt es weiter in einer Pressemitteilung.
Amyloid-Faltung mit anderen Risikomarkern verglichen
Nun wollten die Wissenschaftler prüfen, ob die Analyse von Amyloid-β geeignet ist, das Alzheimer Risiko vorherzusagen und wie sie im Vergleich zu anderen bekannten beziehungsweise vermuteten Risikofaktoren abschneidet. Dazu griffen die Forscher erneut auf Blutproben zurück, die im Rahmen der ESTHER-Studie gewonnen worden waren. Die von Hermann Brenner geleitete und gemeinsam mit dem Saarländischen Krebsregister durchgeführte Kohortenstudie läuft bereits seit dem Jahr 2000.
Fehlerhaftes Amyloid zeigt Alzheimer 14 Jahre vor Ausbruch an
In der aktuellen Arbeit berücksichtigten die Forscher die Ausgangs-Blutproben von 150 ESTHER-Teilnehmern, bei denen im Verlauf von 14 Jahren Nachbeobachtungszeit eine Demenz diagnostiziert wurde. Als Kontrollen wurden 620 Teilnehmer ohne bekannte Demenzdiagnose zufällig ausgewählt, die den Erkrankten in Alter, Geschlecht und Bildungsniveau entsprachen.
Für die Menschen, die später tatsächlich Alzheimer entwickelten, zeigte die fehlerhafte Amyloid-Faltung ein gegenüber der Kontrollgruppe bis zu 23-fach erhöhtes Erkrankungsrisiko an - bis zu 14 Jahre vor der Diagnose beziehungsweise dem Ausbruch der Alzheimer-Demenz. Für die Bestimmung wurde Infrarot-Strahlung genutzt: gesundes und pathologisches Amyloid absorbieren Infrarotlicht mit unterschiedlicher Frequenz.
Mit Bluttest Hochrisikogruppen erkennen
"Mit dieser Arbeit wollten wir prüfen, ob dieser Laborwert für eine Risikostratifizierung größerer Bevölkerungsgruppen geeignet ist. Hier hat sich die Untersuchung auf Fehlfaltung des Amyloid-β den anderen potenziellen Risikomarkern als weitaus überlegen erwiesen", erklärt Hannah Stocker vom DKFZ und vom Netzwerk Alternsforschung der Universität Heidelberg, die Erstautorin der Arbeit.
"Mit dem neuen Nachweisverfahren können wir möglicherweise nicht-invasiv und kostengünstig Hochrisikogruppen, die noch keine Symptome zeigen, erkennen. Bei diesen Personen greifen unter Umständen die Medikamente doch noch, die bislang in klinischen Studien keine Wirkung gezeigt haben", so Klaus Gerwert. "Vielleicht kann der Nachweis von fehlgefaltetem Amyloid-β im Blut damit entscheidend dazu beitragen, ein Medikament gegen Alzheimer zu finden", so der DKFZ-Forscher.
Frühdiagnose durch andere Verfahren bestätigen
Um die Eignung des Laborverfahrens zur Ermittlung des Alzheimer-Risikos bei beschwerdefreien Menschen zu prüfen, sind jedoch weitere Studien erforderlich. In größeren Gruppen wollen die Forscher nun die Zuverlässigkeit der Analyse von Amyloid-β-Veränderungen ermitteln.
Ist die Blut-Untersuchung auffällig, so muss dies durch ein etabliertes Verfahren zur Frühdiagnose von Alzheimer bestätigt werden, etwa durch eine Untersuchung des Nervenwassers oder durch spezielle Bildgebungsverfahren. Daher steht der Blut-Nachweis von fehlgefaltetem Amyloid-β derzeit noch nicht zur individuellen Risikoeinschätzung zur Verfügung.
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