EU-Rat einigt sich auf neue Medizinprodukteverordnung

Europa soll in 2015 eine neue Medizinprodukteverordnung bekommen. Kritiker werten den neuen Entwurf als halbherzigen Beschluss
Zahlreiche Medizinprodukteskandale haben eine Überarbeitung der Medizinprodukteverordnung erforderlich gemacht. Am Freitag konnte sich der EU-Ministerrat auf eine gemeinsame Linie verständigen. Im Kern sind strengere Regeln vor allem bei der Marktüberwachung vorgesehen. Nach der neuen Regelung müssen sogenannte Hochrisiko-Medizinprodukte künftig klinische Studien durchlaufen, die deren Sicherheit und Wirksamkeit belegen. Erst dann sollen sie zugelassen werden. Allerdings gibt es viele Schlupflöcher. Nicht zuletzt bei den Krankenkassen kritisiert man den neuen Entwurf deshalb als halbherzigen Beschluss. „Grundsätzlich sind zwar klinische Studien vorgesehen, gleichzeitig gibt es aber so viele Ausnahmeregelungen, dass die Hersteller leicht darum herumkommen werden“, bemängelte etwa AOK-Vorstand Jürgen Graalmann. Nachweise des Nutzens von Produkten durch Studien müssten aber der Qualitätsmaßstab der Medizinproduktehersteller werden, betonte er.
Für eine europäische Zulassungsstelle gab es im Rat keine Mehrheit
Viele Experten hätten sich außerdem eine zentrale europäische Zulassungsstelle für Medizinprodukte gewünscht. Doch dazu konnte sich der EU-Rat offenbar nicht durchringen. Stattdessen werden weiterhin über ganz Europa verteilte sogenannte benannte Stellen Konformitätsbewertungen durchführen. Die Überwachung der benannten Stellen werde zwar verbessert, sagte AOK-Vorstand Graalmann. „Es bleibt aber zu einfach für die Unternehmen, ein CE-Kennzeichen für ihre Hochrisikomedizinprodukte zu erhalten.“
Der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) sieht dagegen keine Notwendigkeit für eine zentrale Zulassungsbehörde und hält das jetzige System für ausreichend. Für zentralisierte staatliche Zulassungssysteme wie in den USA gebe es keinen Nachweis, dass sie Vorteile für die Patientensicherheit bieten, teilte der Verband am Freitag mit. Der BVMed beruft sich dabei auf eine Vergleichsstudie der Boston Consulting Group aus dem Jahr 2011, die unter anderem alle Rückrufe analysierte. Demnach schnitten die USA nicht besser ab.
Auch eine verbindliche Haftpflichtversicherung für die Hersteller ist vom Tisch. Das heißt, dass Patienten im Schadensfall leer ausgehen, wenn das Unternehmen Konkurs gemacht hat. AOK-Vorstand Jürgen Graalamm: "Es hat den Mitgliedstaaten, insbesondere auch Deutschland, offensichtlich an Mut gefehlt, einen wirklichen Schritt in Richtung mehr Patientensicherheit zu tun.“
Die neue Linie muss noch das EU-Parlament und die Kommission passieren
Kassen wie die AOK hoffen nun, dass in den anstehenden Trilog-Verhandlungen zwischen Rat, Parlament und Kommission doch noch wesentliche Verbesserungen für die Patientensicherheit bei Hochrisikomedizinprodukten erreicht werden. Denn bei der neuen Medizinprodukteverordnung (Medical Device Regulation – MDR) ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.
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