Ein präziser Notruf ist die halbe Rettung

„Unfall auf der A9 bei Kilometer 420, zwei Schwerverletzte (ein Erwachsener, ein Mädchen), Benzin ausgelaufen, ich heiße XY“: Ersthelfer müssen nicht hexen können. Eine Handvoll griffiger Angaben reicht – und Hilfe ist unterwegs. – Foto: ©GordonGrand - stock.adobe.com
„Kommen Sie schnell, meine Frau ist zusammengebrochen!“. Dann legt jemand auf, kein Name, keine Adresse. Mitarbeiter in den Leitstellen von Rettungsdienst und Feuerwehr erleben solche Notrufe tatsächlich. Deshalb ist es wichtig, auch in Notfallsituationen einmal tief durchzuatmen, die richtige Nummer zu wählen und in jedem Fall so lange in der Leitung zu bleiben, bis der Gesprächspartner in der Rettungsleitstelle das Gespräch beendet – wenn die wenigen, aber wichtigen Fragen beantwortet sind. Nur dann können die Notrufexperten auch das richtige und angemessene Rettungsmittel an den richtigen Ort schicken: einen Rettungswagen, einen Notarzt, einen Spezialrettungswagen für Schlaganfallpatienten, einen Baby-Notarztwagen oder im Extremfall einen Rettungshubschrauber.
Notruf: Diese fünf Fragen genau beantworten
Damit die Mitarbeiter der zuständigen Rettungsleitstelle schnell geeignete Einsatzkräfte schicken können, muss der Anrufer einige wenige, aber wichtige Informationen präzise durchgeben. Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) formuliert die Kriterien für einen guten Notruf in folgendem Leitfaden:
1. Wo ist das Ereignis?
Geben Sie den Ort des Ereignisses so genau wie möglich an (zum Beispiel Gemeindename oder Stadtteil, Straßenname, Hausnummer, Stockwerk, Besonderheiten wie Hinterhöfe, Straßentyp, Fahrtrichtung, Kilometerangaben an Straßen, Bahnlinien oder Flüssen).
2. Wer ruft an?
Nennen Sie Ihren Namen, Ihren Standort und Ihre Telefonnummer für Rückfragen!
3. Was ist geschehen?
Beschreiben Sie knapp das Ereignis und das, was Sie konkret sehen (was ist geschehen? was ist zu sehen?), beispielsweise Verkehrsunfall, Absturz, Brand, Explosion, Einsturz, eingeklemmte Person.
4. Wie viele Betroffene?
Schätzen Sie die Zahl der betroffenen Personen, ihre Lage und die Verletzungen. Geben Sie bei Kindern auch das (bekannte oder geschätzte) Alter an.
5. Warten auf Rückfragen!
Legen Sie nicht gleich auf, die Mitarbeiter der Leitstelle benötigen von Ihnen vielleicht noch weitere Informationen.
Die richtige Nummer bei Lebensgefahr: 112
Wichtig ist es auch, in medizinischen Notfällen die richtige Nummer zu wählen. Grundsätzlich gilt: im Zweifelsfall die 112. Sie ist kostenfrei und kann europaweit auch vom Handy aus ohne Vorwahl gewählt werden. Die 112 ist die Alarmierungsnummer für akute, möglicherweise lebensbedrohliche Notfälle. Hierzu zählen an Auskunft des Malteser Hilfsdiensts folgende Krankheitssymptome.
Den Rettungsdienst immer rufen bei Lebensgefahr:
• Anzeichen für einen Herzinfarkt (starker Brustschmerz, Atemnot, kalter Schweiß)
• Anzeichen für einen Schlaganfall (Seh- und Sprachstörungen, Lähmungserscheinungen)
• Unfälle mit schweren Verletzungen/hohem Blutverlust
• Ohnmacht/Bewusstlosigkeit
• allergischer Schock
• plötzliche, starke Schmerzen
• schwere Verbrennungen
• Asthmaanfall (anfallsartige Atemnot).
Sieben Millionen Notfalleinsätze im Jahr
"Die 112 muss gewählt werden, wenn es lebensgefährlich ist oder wird“, sagt DRK-Bundesarzt Prof. Peter Sefrin. Deshalb "bitte keine Bagatellen an die 112 melden, diese blockieren sonst die echten Notfälle“. 2016 rückten in Deutschland gut sieben Millionen Mal Rettungsfahrzeuge bei medizinischen Notfällen aus, ergibt sich aus der Jahresstatistik der Gesetzlichen Krankenversicherung. 5,1 Millionen Mal war es ein Rettungswagen, 2 Millionen Mal ein Notarztwagen. Damit haben sich die medizinischen Blaulichteinsätze in Deutschland seit Mitte der 1990er-Jahre ungefähr verdoppelt.
Die sprunghafte Zunahme der Blaulichteinsätze ist für die Rettungsorganisationen personell, organisatorisch und von Fahrzeugausstattung nicht leicht zu bewältigen. Die Berliner Feuerwehr etwa erhielt 2017 zwar 20 neue Rettungswagen, aber kein zusätzliches Personal. Deshalb immer daran denken: Ungerechtfertigte Rettungseinsätze gehen zu Lasten der tatsächlich lebensbedrohlichen Notfälle. Zum Tag der Notrufnummer appellieren die Rettungsdienstorganisationen wie der Arbeiter Samariter Bund (ASB), das DRK, die Johanniter-Unfall-Hilfe oder der Malteser Hilfsdienst an die Bevölkerung, diese Notfallnummer nicht überzustrapazieren.
Liegt kein akuter Notfall vor, aber der Betroffene benötigt einen Transport ins nächste Krankenhaus und kann nicht selbst fahren, wird die Rettungsdienstzentrale einen Krankenwagen schicken. Ist es medizinisch geboten, übernimmt die Krankenkasse die Kosten für den Rettungswagenwageneinsatz und den Krankentransport.
Dringend, aber nicht lebensbedrohlich: Tel. 116117
In dringenden, aber nicht lebensbedrohlichen Fällen sollen Kranke oder Angehörige den ärztlichen Bereitschaftsdienst anrufen. Bundesweit einheitliche Rufnummer: 116117. Dieser Notdienst ist für Patienten gedacht, die außerhalb der Sprechzeiten des Hausarztes eine dringende ambulante Behandlung benötigen, sich aber nicht in einer lebensbedrohlichen Situation befinden. Die Anrufzentrale des ärztlichen Bereitschaftsdienstes kann Auskunft darüber geben, wo in der Nähe die nächste Bereitschaftsdienstpraxis genöffnet hat, die man bei Bedarf aufsuchen kann. Ist man zu krank, um in die Praxis zu fahren oder ist die Bereitschaftspraxis in der Nähe unbesetzt, kommt ein ärztlicher Bereitschaftsdienst zu den Patienten nach Hause – wie der Hausarzt bei einem Hausbesuch. Der ärztliche Bereitschaftsdienst versorgt sowohl Kassen- als auch Privatpatienten, die Kosten werden übernommen.
Typische Fälle für den ärztlichen Bereitschaftsdienst:
• Erkältungskrankheiten
• Grippale Infekte mit Fieber und Schmerzen
• Infektionen von Hals, Nase, Ohren (HNO)
• Magen-Darm-Infekte mit Brechdurchfall
• Migräne
• Hexenschuss
Wenn Kinder Spülmittel für Limo halten: der Gift-Notruf
Eine Spezialanlaufstelle für Notfälle ist der sogenannte Gift-Notruf. Er ist keine Notfallnummer, bei der man einen Einsatz auslösen kann. Bei offensichtlichen Vergiftungen oder dem Verdacht darauf kann man sich als Laie sekundenschnell das entscheidende Handlungswissen einholen, um als Ersthelfer die Zeit bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes aktiv zu überbrücken. Minuten können hier entscheidend sein. Der Gift-Notruf kann manchmal auch einfach Klarheit schaffen – und bei harmlosen Substanzen Entwarnung geben. DRK-Notarzt Sefrin sagt allerdings: "Wenn Übelkeit, Krämpfe, Erbrechen, Schweißausbrüche, geistige Verwirrtheit, Unruhe oder Schläfrigkeit nach Kontakt mit verdächtigen Substanzen auftreten, gleich den Notruf 112 alarmieren."
Der Gift-Notruf besitzt keine bundesweit einheitliche Nummer. Acht Giftnotrufzentralen gibt es aktuell bundesweit. Ihre Nummern findet man im Telefonbuch oder beispielsweise auf der Website des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL).
Giftnotrufzentralen sind in der Regel in Universitätsklinika angesiedelt. Die Universität Göttingen etwa unterhält ein interdisziplinäres Expertenteam aus den Bereichen Innere Medizin, Arbeitsmedizin, Psychiatrie/Suchtforschung, Toxikologie, unterstützt durch zwei Chemiker. Eine Telefonnummer existiert in Göttingen für jedermann, eine zweite für Fachleute. Wer gewerblich oder beim Hobby regelmäßig mit Chemikalien hantiert oder wer kleine Kinder hat, speichert sich am besten die Nummer seiner Gift-Notruf-Zentrale vorbeugend ihn ins Mobiltelefon ein.
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