Datenschutz gefährdet Patienten: Berliner Kliniken wollen es besser machen

– Foto: pixabay/pixel2013
Wenn der Notarzt nicht weiß, wie der Facharzt behandelt hat: Der aktuell praktizierte Datenschutz gefährdet die Patienten, kritisiert die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM). Auf ihrem Kongress im Mai diskutiert sie über Lösungen.
Schlüssel ist der Zugriff auf digital abrufbare Daten. Doch Deutschland steht bei der Digitalisierung des Gesundheitssystems weit hinter anderen Ländern zurück. Der Bedarf an Weiterentwicklung und Anpassung – IT-technologisch, organisatorisch, rechtlich – sei höchst dringlich. Zwei Berliner Kliniken testen derweil den digitalen Austausch von Patientendaten.
Sinnvolle Nutzung der Patientendaten verhindert
"Leben und Gesundheit der Menschen in Deutschland könnten besser geschützt werden, wenn endlich die Möglichkeiten der Digitalisierung im Gesundheitswesen verantwortlich und wissenschaftlich sinnvoll genützt würden“ - zu diesem Schluss kam der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (SVR Gesundheit) bereits im März 2021.
"Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) im Gesundheitswesen ist eine Verordnung, die europaweit gilt, jedoch vor allem in Deutschland in einer Art und Weise ausgelegt wird, die mitunter Leib und Leben von Patientinnen und Patienten gefährdet", sagt Kongress-Präsident Prof. Markus M. Lerch, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender am LMU Klinikum München. "Anstatt Patientendaten vor Missbrauch zu schützen, verhindern wir den Zugang und die Nutzung der Daten."
Datenschutz gefährdet Patienten: Berliner Kliniken wollen es besser machen
Der Datenschutz könne etwa dazu führen, dass ein Arzt in der Notaufnahme aufgrund einer technischen Zugriffsblockade nicht die Behandlung desselben Patienten durch den Facharzt einsehen kann, da der Notfallmediziner nicht an der ursprünglichen Behandlung beteiligt war. Der Datenschutz gefährdet also Patienten. Statt auf Zugriffsblockaden zu setzen, müsse, wie in anderen Ländern, der Zugriff dokumentiert und - im Falle eines Missbrauchs - bestraft werden, so Lerch.
Ein anderer Datenschutz-Grundsatz und dessen Umsetzung in Deutschland wird vor allem für den medizinischen Erkenntnisgewinn zum Problem: Die "Datensparsamkeit" meint das Erfragen und Dokumentieren nur der unmittelbar notwendigen personenbezogenen Daten und Informationen.
Je umfassender die Daten, desto mehr Erkenntnisse
"Dies mag sinnvoll sein, um die Sammelwut von Internetkonzernen einzudämmen - völlig kontraproduktiv aber ist dieser Grundsatz, wenn es um klinische Daten einzelner Patientinnen und Patienten oder um medizinische Daten aus klinischen Studien geht, bei Krankheitsregistern oder bei populationsbasierten epidemiologischen Untersuchungen", so Lerch in einer Pressemitteilung.
"Je umfassender die eingeschlossenen Daten sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, bisher unbekannte Zusammenhänge aufzudecken: zwischen Medikamenten und ihren Nebenwirkungen oder unerwarteten Gesundheitseffekten, zwischen Laborparametern, Biomarkern oder Umwelteinflüssen und der Entstehung von Krankheiten."
Charité und Vivantes tauschen Patienten-Daten
Derweil gehen zwei Berliner Klinik-Unternehmen einen weiteren Schritt in die richtige Richtung: Nachdem die Charité - Universitätsmedizin Berlin und Vivantes 2021 die gemeinsame digitale Behandlungsakte eingeführt haben, folgt nun der Austausch medizinischer Behandlungsdaten.
Das behandelnde Personal kann so auf aktuelle Laborwerte, Vitalzeichen oder schon früher erfasste allgemeine Gesundheitsdaten zugreifen. Mehrfachuntersuchungen können teilweise vermieden und Wartezeiten für Patienten und Personal reduziert werden. Die Technologie wird derzeit erprobt und bis Herbst bei zwei konkreten Anwendungen umgesetzt.
Daten-Tausch bei Infektiologie und Intensivmedizin
Infektiologie: Bei der Patientenaufnahme bei Vivantes kann das behandelnde Personal
frühzeitig einsehen, ob ein Patient beispielsweise Träger eines multiresistenten Erregers ist - selbst wenn die Daten ursprünglich in der Charité eingegeben wurden. Dies ermöglicht eine frühzeitige Isolation und trägt zur Sicherheit von Patienten und Mitarbeitenden bei.
Intensivmedizin: Bei einer Verlegung zwischen Charité und Vivantes werden zentrale Vital- und Laborparameter an die aufnehmende Klinik überspielt. Dies wird zunächst für Patienten umgesetzt, die eine Versorgung per ECMO (Extrakorporale Membranoxygenierung) benötigen. Verlegung und Behandlung können so ohne Verzögerung starten, heißt es in einer Pressemitteilung.