
Impfen bei Rheuma und anderen Autoimmunerkrankungen: Lebendimpfstoffe sind ein Risiko
Impfungen sind für Patienten mit Autoimmunerkrankungen besonders wichtig, weil die Krankheit selbst und deren Behandlung die Immunabwehr gegen Bakterien und Viren schwächen. Das berichtet ein Expertenteam im aktuellen Bundesgesundheitsblatt. Der Artikel war auf Anraten der Ständigen Impfkommission (STIKO) entstanden, da Impfungen bei Autoimmunerkrankungen viele Fragen aufwerfen.
Zu Autoimmunerkrankungen gehören etwa Rheuma und chronisch-entzündliche Darmerkrankungen. „Bei rheumatischen Erkrankungen befindet sich das Immunsystem in ständiger Alarmbereitschaft“, erklärt Professor Hendrik Schulze-Koops, Rheumatologe am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München. Die Entzündung binde Ressourcen, die bei der Abwehr von Krankheitserregern fehlen könnten. „Menschen mit Rheuma erkrankten deshalb doppelt so häufig an viralen oder bakteriellen Infektionen wie andere Menschen.“
Die Experten raten den Patienten deshalb zu allen von der STIKO empfohlenen Impfungen. Das gilt nicht nur für ältere Patienten mit rheumatoider Arthritis oder Psoriasis-Arthritis. Auch jüngere Menschen, zum Beispiel mit Morbus Bechterew, sollten darauf achten, dass sie alle für Kinder und Jugendliche vorgesehenen Impfungen erhalten haben.
Abgeschwächte Wirkung
Dass Impfen gerade für diese chronisch Kranken wichtig ist, bestätigt auch der Rheumaexperte Schulze-Koops. „Das Problem ist, dass die Wirkung einer Impfung auf ein intaktes Immunsystemangewiesen ist, denn es muss die Antikörper bilden, die später vor einer Infektion schützen“, gibt er zu bedenken.
Diese Voraussetzung sei bei rheumatischen Erkrankungen nicht immer gegeben und der Impferfolg somit gefährdet. Hinzukommt, dass Immunsuppressiva das Immunsystem bremsen. Ob Patienten, die mit Immunsuppressiva behandelt werden, geimpft werden dürfen, hängt dem Experten zufolge in erster Linie vom Impfstoff ab. Totimpfstoffe, die abgetötete Erreger enthalten sind seiner Ansicht nach kein Problem.
Impfen vor Behandlungsbeginn
Totimpfstoffe werden zum Beispiel gegen Pneumokokken, Hepatitis B, Meningokokken, Herpes zoster (Gürtelrose) und humane Papillomaviren (HPV) eingesetzt. Auch der Grippeimpfstoff gegen Influenza-Viren zählt dazu.
Allerdings kann bei einigen stark wirkenden Immunsuppressiva die Fähigkeit des Immunsystems zur Antikörperbildung soweit eingeschränkt sein, dass keine Impfschutz erzielt wird. Dazu gehören vor allem Biologika wie Rituximab oder Abatacept. Die Experten raten deshalb, die Impfungen vor Behandlungsbeginn durchzuführen.
Lebendimpfstoffe meiden
Zur Vorsicht mahnen die Experten bei Lebendimpfstoffen, die abgeschwächte Krankheitserreger enthalten. Eine Impfung könne erhebliche Risiken bergen.
Das betrifft die viel diskutierte Impfung gegen Masern-Mumps-Röteln (MMR-Impfung), aber auch die Impfung gegen Gelbfieber und gegen Rotaviren. „Das Immunsystem gesunder Menschen kommt damit gut zurecht“, sagt Professor Schulze-Koops: „Bei abwehrgeschwächten Menschen kann es jedoch zu einer Infektion kommen.“ Diese Impfungen erfolgten aber in den ersten Lebensjahren und seien in der Regel abgeschlossen, wenn entzündlich-rheumatische Erkrankungen auftreten, so Schulze-Koops.
Quelle:
Norbert Wagner, Frauke Assmus et al.: Impfen bei Immundefizienz. Anwendungshinweise zu den von der Ständigen Impfkommission empfohlenen Impfungen. (IV) Impfen bei Autoimmunkrankheiten, bei anderen chronisch-entzündlichen Erkrankungen und unter immunmodulatorischer Therapie. Bundesgesundheitsbl 2019, 62:494–515
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