Besondere Empathie mit thailändischen Jungen psychologisch erklärbar

Als wären‘s die eigenen Kinder: Das Schicksal der jungen Fußballer aus Thailand hat bei vielen Menschen ein starkes Mitgefühl ausgelöst
Das Schicksal der in einer Höhle eingeschlossenen Jungen in Thailand hat Menschen auf der ganzen Welt berührt. Von Fußballtrainer Jürgen Klopp über die Fifa bis hin zu Donald Trump gab es von allen Seiten internationale Solidaritätsbekundungen. Tesla-Gründer Elon Musk war persönlich an den abgelegen Unglücksort gereist und hatte ein Mini-U-Boot für die Rettungsaktion mitgebracht, das dann allerdings nicht benötigt wurde. Auch die deutsche Bundesregierung zeigte Mitgefühl: "Wie so viele Menschen auf der ganzen Welt haben wir mitgefiebert. Jetzt ist die Erleichterung riesig", twitterte Außenminister Heiko Maas am Dienstag.
Rettung aus Höhle geglückt - und die Welt atmet auf
Am Dienstag konnten die letzten Jungen und ihr Trainer in einer spektakulären Rettungsaktion aus der Tham-Luang-Höhle gerettet werden – nachdem sie dort 18 Tage von Wassermassen eingeschlossen waren. Spezialtaucher mussten die Fußballmannschaft, die sich die „Wildschweine“ nennen, und ihren Trainer befreien. Rund 1.000 Helfer waren im Einsatz. Das Medieninteresse riesig.
Zwölf Jungen und ein Fußballtrainer – das ist im Vergleich zu den tausenden Menschen, die seit Jahren bei der Flucht im Mittelmeer ertrinken, ein Tropfen auf den heißen Stein. Und doch ist die weltweite Solidarität mit den thailändischen Jungs um ein vielfaches größer als mit den verunglückten Flüchtlingen in ihren seeuntauglichen Booten.
Empathie für kleinere Gruppen größer
Warum ist das so? Der Psychologe Philipp Kanske von der TU Dresden sagt, dass es unser Mitgefühl nicht nur von der persönlichen Empathiefähigkeit, sondern auch von äußern Umständen abhängt. Demnach können wir mit einer überschaubaren Gruppe von Menschen mehr Empathie empfinden als mit einer großen Anzahl von Menschen. Abstraktes, wie große Zahlen könne das Gehirn schlechter verarbeiten. „Was an dem Fall der eingeschlossenen thailändischen Jungs besonders ist, ist dass es hier ganz konkret um eine bestimmte Gruppe von Menschen geht. Die Gruppe ist sichtbar und dadurch für uns besser erfassbar“, sagte er dem Magazin „Stern.“ Eine Helferin vor Ort drückte ihr Mitgefühl so aus: "Es ist, als ob es meine eigenen Kinder wären."
Hilfsorganisationen wie Unicef oder „Brot für die Welt“ kennen natürlich die Psychologie der Empathie. In ihrer Werbung werden fast ausschließlich einzelne Gesichter gezeigt, allenfalls eine Schulklasse - aber niemals soll uns eine Ansammlung vieler Personen zum Spenden bewegen. Im Mittelmeer jedoch sind es Hunderte, Tausende. Mit so vielen Menschen, die dazu noch anonym bleiben, kann man sich kaum identifizieren.
Flüchtlingen werden Regelbrüche unterstellt
Hinzu kommt noch ein andere Punkt: die Gruppenzugehörigkeit. Bei den Geflüchteten wird laut Psychologe Kanske eine ethnische und religiöse Gruppengrenze gezogen: „Die Flüchtlinge, die nach Europa kommen wollen, gehören dann nicht zu "unserer Gruppe". Wir empfinden dann weniger Empathie für solche Personen“, erklärt er im Interview mit dem „Stern“.
Außerdem werde ihnen vielfach unfaires Verhalten, ein Regelbruch unterstellt, der auf unsere Kosten gehe. „Dieses vermeintlich unfaire Verhalten führt auch dazu, dass weniger spontane Empathie empfunden wird“, sagte er.
Bei den thailändischen Jungen sei dagegen wichtig, dass sie unverschuldet in die Situation gekommen seien. „Es handelt sich hier nicht um eine Gruppe, der wir unfaires Verhalten oder Rechtsbruch unterstellen. Faktoren, die ein Einfühlen verhindern, greifen hier nicht.“
Foto: Elon Musk via Twitter