„Aggressionsgene“: Neue Erkenntnisse zum Einfluss auf unser Verhalten

Aggressionen sind auch eine Frage der genetischen Veranlagung – Foto: DDRockstar - Fotolia
Aggressionen sind komplexe Gebilde. Heute geht man davon aus, dass aggressives Verhalten durch das Zusammenwirken von Erbanlagen und Umweltbedingungen bestimmt wird. Die genetische Disposition kann also durchaus eine Rolle spielen. So hat man festgestellt, dass es einen Zusammenhang zwischen hohem Aggressionspotenzial und einer Variante des MAOA-Gens gibt. Besonders im Zusammenspiel mit Umweltfaktoren wie etwa frühkindlicher Traumatisierung kann sich das durch die Genveränderung verstärkte aggressive Verhalten äußern. Der Neuropsychologe Dr. Benjamin Clemens von der Sektion Neuropsychologie der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik an der RWTH Aachen konnte nun in einer Studie zeigen, welchen Einfluss das MAOA-Gen auf das Gehirn im Ruhemodus hat.
„Aggressionsgen“ erhöht Wahrscheinlichkeit für aggressives Verhalten
Menschen, bei denen das auch als "Aggressionsgen" bezeichnete Monoaminooxidase-A (MAOA-) Gen weniger aktiv ist, haben früheren Untersuchungen zufolge eine höhere Wahrscheinlichkeit für aggressives Verhalten. Das MAOA-Gen steuert die Aktivität eines Enzyms, welches wiederum Botenstoffe wie Serotonin und Noradrenalin abbaut, nachdem diese ihre Arbeit im Gehirn getan haben. Liegt die inaktiviere Variante des MAOA Gens vor, wird weniger Enzym produziert, was zu einem Überschuss dieser Stoffe im Gehirn führt. Dieser Überschuss beeinflusst die Aktivität verschiedener Hirnareale und kann so auch Aggressionen begünstigen.
Für seine Studie hat Clemens nun den Zusammenhang zwischen dem MAOA-Gen und aggressivem Verhalten genauer untersucht. Dafür hat er über 50 Studenten unter funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRT) beobachtet. Besonders interessiert war er an den Ruhe-Netzwerken, die das Gehirn steuern, wenn Menschen keinen äußeren Reizen oder Aufgaben ausgesetzt sind. Es zeigte sich, dass Probanden mit der inaktiveren MAOA-Genvariante auch im Ruhemodus eine geringere Aktivität in verschiedenen Arealen aufwiesen, die für kognitive Kontrolle, Aufmerksamkeit und Steuerungsfunktionen (Planen, Denken, Problemlösen) verantwortlich sind. „Das Gen entfaltet seine Wirkung auf das Gehirn also bereits ohne äußere Einwirkung. Wir konnten mit unserer Studie jetzt erstmalig nachweisen, dass auch der Ruhemodus des Gehirns durch das MAOA-Gen beeinflusst wird“, so Clemens.
Aggressionen haben viele Ursachen
Die Genvariante alleine mache aber nicht zwangsweise aggressiv, betont der Forscher. Das sei vor allem deshalb beruhigend, weil die MAOA-Variante bei zirka 40 Prozent aller westeuropäischen Menschen vorkomme. „Umweltfaktoren, wie etwa eine Traumatisierung, Frustration oder Provokation können aber mit dieser genetischen Veranlagung interagieren, und so die Wahrscheinlichkeit von aggressivem Verhalten stark erhöhen“, so der Experte.
Clemens hofft, dass seine Arbeit dazu beitragen kann, die Entstehung von Aggressionen besser zu verstehen. Eventuell können für Patienten mit pathologischer Aggression dadurch auch verbesserte Therapiekonzepte entwickelt werden. Für seine Studie wurde Clemens auf der 60. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und Funktionelle Bildgebung (DGKN) mit dem Niels-A.-Lassen-Preis ausgezeichnet.
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