Ärzte-Hopping auch bei Kinderärzten verbreitet

Viele Eltern gehen wegen jeder Kleinigkeit mit ihren Kindern zum Kinderarzt. Experten kritisieren nun diesen "Übergebrauch" des Gesundheitssystems.
Eine große Aufregung war die Folge, nachdem Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), vor einigen Tagen gefordert hatte, das Ärzte-Hopping zu beenden. Er berief sich dabei auf die Erfahrung vieler Kassenärzte, dass Patienten zu oft verschiedene Fachärzte aufsuchen und dabei unnötige Kosten verursachen. Gassen schlug daher vor, für alle Kassenpatienten Wahltarife einzuführen, um ihre Arztbesuche besser steuern zu können. Nun äußerte sich auch der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) dazu.
Besorgte Eltern als „heavy users“ des Gesundheitssystems
Eltern, die schon bei gering erhöhter Körpertemperatur ihres Kindes oder wegen eines simplen Mückenstichs die Praxis oder auch die Notaufnahmen der Krankenhäuser aufsuchen, seien für die meisten Kinder- und Jugendärzte in Deutschland Alltag, so der BVKJ in einer Pressemitteilung. „Wir haben es heute zum Teil mit sehr verunsicherten Eltern zu tun, die so gut wie jede Lebensäußerung ihres Kindes als Krankheit deuten, der sie hilflos gegenüberstehen“, betont Dr. Thomas Fischbach, Präsident des BVKJ. Diese Eltern seien die „heavy users“ unseres Gesundheitssystems.
Indem sie unsere Kapazitäten blockierten, erschwerten sie ernsthaft Kranken den Zugang zur medizinischen Versorgung, so Fischbach weiter. Gassens Vorschlag begrüßt er daher: „Wir sind davon überzeugt, dass man das Ärzte-Hopping, aber auch das häufige Aufsuchen unserer Praxen oder von Notfallambulanzen wegen banaler Infekte einschränken sollte. Wahltarife für Kassenpatienten, die sich verpflichten, sich zunächst an einen koordinierenden Arzt zu wenden, halten wir für eine gute Idee.“
Überlastung der Rettungsstellen
Gassen betonte auch, dass der sorglose Umgang des medizinischen Angebots durch die Patienten zu einer Überlastung der Rettungsstellen führt. Viele Menschen gehen demnach am Wochenende ins Krankenhaus, weil sie dann Zeit haben: „Erst zu Ikea, dann in die Notfallambulanz. Die Anspruchshaltung ist mitunter irrsinnig“, so Gassen. Das führe dazu, dass das Personal in den Rettungsstellen keine Zeit für die wirklichen Notfälle habe. Krankenkassen und Patientenvertreter reagierten auf Gassens Statement mit heftiger Kritik. Sie warnten davor, ernsthaft Erkrankte mit diesen Äußerungen zu verunsichern.
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