Zweitimpfung mit AstraZeneca? Was dafür und dagegen spricht

Die Zweitimpfung könnte aus immunologischer Sicht auch mit einem anderen Impfstoff als AstraZeneca erfolgen, sagt ein Experte – Foto: © Adobe Stock/Prostocl-Studio
In Deutschland wurden bisher rund 2,8 Millionen Menschen mit dem COVID-19-Vakzin AstraZeneca geimpft – vor allem jüngere. Mangels ausreichender Daten hatte die Ständige Impfkommission STIKO den Vektor-Impfstoff zunächst nicht für ältere Menschen ab 60 Jahren empfohlen. Wenige Wochen später schwenkte die STIKO um, und empfahl den Impfstoff für alle Altersgruppen.
Mitte März wurde die Verimpfung von AstraZeneca für ein paar Tage dann wegen "Sicherheitsbedenken" vom Bundesgesundheistministerium vollkommen gestoppt. Am 18. März wurde die Impfung schließlich wieder aufgenommen: Trotz zum Teil tödlicher Hirnvenenthrombosen wurden Jung und Alt weiter mit AstraZeneca geimpft. Bis zur erneuten Kehrtwende am Dienstag.
STIKO ändert zum dritten Mal Empfehlung
Seither empfiehlt die STIKO, nur noch Menschen ab 60 Jahren mit dem Impfstoff von AstraZeneca zu impfen. Frankreich und Dänemark hatten sich bereits schon so entschieden, weil Fälle sehr schwerer thromboembolischer Nebenwirkungen ganz überwiegend bei Personen im Alter unter 60 Jahren aufgetreten waren. Dem Paul-Ehrlich-Institut PEI wurden bis dato 31 Fälle von Hirnvenenthrombosen nach einer Impfung mit AstraZeneca gemeldet. Darunter waren 29 Frauen und nur zwei Männer. In neun Fällen sind die Betroffenen gestorben. Anders als die Europäische Arzneimittelagentur EMA hält die STIKO das Risiko-Nutzen-Verhältnis nicht mehr für vertretbar.
Zweitimpfung mit einem anderen Impfstoff immunologisch wohl kein Problem
Der Immunologe Professor Reinhold Förster von der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) hält die jüngste STIKO-Entscheidung für folgerichtig. Zwar liege das Risiko für jüngere Personen, eine lebensgefährliche Hirnvenenthrombose zu bekommen, nur bei 1:100.000, erklärte er in einem Interview mit „WELT.“ „Auf der anderen Seite haben wir Impfstoffe, die diese seltene Nebenwirkung offenbar nicht hervorrufen und eine Bevölkerungsgruppe, die ein sehr niedriges Risiko für einen schweren Verlauf hat. Von daher spricht nach meiner Einschätzung nichts dagegen, die Empfehlungen entsprechend zu ändern.“
Bleibt die Frage, ob die Zweitimpfung auch mit einem anderen Impfstoff erfolgen könnte. „Aus immunologischer Sicht spricht gar nichts gegen einen Mix“, sagte Förster. Mit der Erstimpfung von AstraZeneca und einer zweiten mit Biontech/Pfizer bekommen Sie einen sehr guten Schutz hin, da bin ich mir absolut sicher.“ Dabei gebe es nur ein Problem: „Dazu gibt es überhaupt keine Daten“.
Impfstoff-Kombinationen wurden bisher nicht untersucht
So wurden in den Zulassungsstudien keine Impfstoff-Kombinationen untersucht. Man weiß also nichts darüber, welche Nebenwirkungen auftreten können, wenn Menschen mit unterschiedlichen Impfstoffen geimpft werden. Eine Kombination von Impfstoffen sei überhaupt nicht vorgesehen und entsprechend nicht untersucht worden, erklärt Förster. „Da geht es dann auch um Haftungsfragen.“
Vor diesem Dilemma steht nun auch die STIKO. Bis Ende April will die Impfkommission entscheiden, ob es für jüngere eine Zweitimpfung mit AstraZeneca oder eben einem anderen Impfstoff geben soll.
Den diskutierten Vorschlag, die zweite Impfstoffdosis von AstraZeneca einfach zu reduzieren, um das Thromboserisiko zu senken, hält Immunologe Förster nicht für sinnvoll. Es sei eine reine Vermutung. dass dadurch auch diese spezielle Nebenwirkung seltener auftrete, betonte er im WELT-Interview. „Wenn die Sinusvenenthrombosen mit der Immunantwort zusammenhängen, kann man nicht davon ausgehen, dass eine Verabreichung einer niedrigeren Dosis hier zielführend ist“, so der Mediziner.