Zu wenig Ketonkörper: Das unterscheidet Covid-Kranke von Grippekranken

Ausgepowerte Immunzellen: Bei Covid-19-Kranken bildet der Stoffwechsel Ketonkörper in zu geringer Menge – Foto: © Adobe Stock/ James Thew
Ketonkörper sind energiereiche Verbindungen, die vom Stoffwechsel gebildet werden und bei der Fettverbrennung entstehen. In diesen Modus schaltet der Körper um, wenn er nicht mehr so gut mit Kohlenhydraten versorgt wird. Das kann im Rahmen einer Diät passieren, aber auch bei Krankheiten verlieren wir oft unseren Appetit. Das hat auch Auswirkungen auf unseren Stoffwechsel, der dann auf Fettverbrennung umschaltet.
Bei Grippe bildet der Körper reichlich Ketonkörper - bei Covid nicht
Da passt es gut, dass bei einer Grippeerkrankung die Produktion dieser Energieträger hochgefahren wird, wie Wissenschaftler unter Beteiligung der Uni Bonn herausgefunden haben. Nur: Bei einer Covid-19-Erkrankung passiert das offenbar nicht. „Wir haben festgestellt, dass Patientinnen und Patienten mit einer Virusgrippe in großen Mengen Ketonkörper bilden“, erklärt Prof. Christoph Wilhelm vom Institut für klinische Chemie und klinische Pharmakologie am Universitätsklinikum Bonn. „Bei Covid-19-Kranken sahen wir dagegen kaum eine Erhöhung, zumindest bei solchen mit einem moderaten oder schweren Verlauf.“
Weniger Zytokine im Blut
Und es gab noch einen weiteren Unterschied zwischen Grippekranken und Covidkranken: Letztere hatten eine geringere Menge von Entzündungsbotenstoffen im Blut, vor allem das Interferon-Gamma war sehr niedrig. Dieses Zytokin wird von den T-Helferzellen ausgeschüttet, um Fresszellen und andere Abwehrtruppen des Immunsystems zur Virusbekämpfung anzulocken. „Dazu benötigen die T-Helferzellen aber augenscheinlich eine ausreichende Versorgung mit Ketonkörpern. Fehlt diese, stellen sie weniger Interferon-Gamma her. Außerdem sterben die Helferzellen dann früher“, berichtet der Pharmakologe.
Ausgelaugte Immunzellen
Ähnliche Effekte sahen die Forscher auch bei einer anderen wichtigen Gruppe von Immunzellen, den T-Killerzellen. „Auch sie benötigen Ketonkörper, um gut zu funktionieren und das Virus effektiv eliminieren zu können“, betont Intensivmediziner Dr. Christian Bodevom vom Uniklinikum Bonn. Augenscheinlich fördern die Ketonkörper die Funktion der Mitochondrien, also der Stoffwechselkraftwerke, die die Immunzellen versorgen. Dies sorgt nicht nur für eine verbesserte Energieproduktion, sondern stellt auch Moleküle bereit, die für die Interferon-Herstellung benötigt werden. „Ohne eine ausreichende Versorgung mit Ketonkörpern zeigen die T-Killer- und T-Helferzellen dagegen Anzeichen von Erschöpfung“, erklärt Bode. „In diesem ausgepowerten Zustand können sie ihre Funktion nicht mehr ausreichend wahrnehmen.“
Mäuse profitieren von ketogener Diät
Doch der zweite Teil der Arbeit birgt einen hoffnungsvollen Aspekt: Die Forschenden konnten die Immunzellen wieder aufpäppeln, indem sie erkrankte Mäuse auf eine ketogene, also kohlenhydratarme, Kost setzten oder Ketonkörper direkt verabreichten. Daraufhin gelang es den Tieren besser, das Virus zu eliminieren. Und sie entwickelten zudem deutlich geringere Lungenschäden.
„Möglicherweise lässt sich durch eine gezielte Nahrungsumstellung die Schlagkraft der körpereigenen Abwehr erhöhen“, sagt Wilhelm. Von Selbstversuchen rät der Forscher aber ab. Ob das wirklich funktioniert, müssten nun weitere Studien zeigen.
Die Studie “Impaired ketogenesis ties metabolism to T cell dysfunction in COVID-19”, ist soeben in „Nature“ erschienen. An der Studie waren neben dem Universitätsklinikum und der Universität Bonn die TU Braunschweig sowie die Universitätskliniken Hannover, Zürich, Nijmegen und Essen beteiligt.