Zu viele Forschungsprojekte mit mangelhafter Qualität

Weniger Tierleid durch bessere biomedizinische Forschung: Das BIH Quest-Center arbeitet zusammen mit Charité3R an diesem ambitionierten Ziel
Ohne Forschung keine neuen Therapien. Darum werden Milliarden in die biomedizinische Forschung gesteckt, auch in Deutschland. Doch Aufwand und Ertrag klaffen weit auseinander. Mehr als die Hälfte aller in der Biomedizin veröffentlichen Studien sind nicht reproduzierbar – ihre Ergebnisse also wertlos. Woran hapert es?
Nach Auskunft von Prof. Ulrich Dirnagl erfüllt oftmals schon der Versuchsaufbau bestimmte Qualitätskriterien nicht, teilweise fehlen Kontrollen, die Stichprobengrößen sind zu gering, um statistisch aussagekräftig zu sein. Oder es werden nicht alle Messwerte veröffentlicht oder Auswertungen falsch berechnet.
Zu selten kommen neue Therapien heraus
„So ist es kein Wunder, dass die Translation, also die Übertragung von Ergebnissen aus der biomedizinischen Grundlagenforschung in die klinische Forschung zu selten gelingt bzw. selten zu neuen Therapien führt“, erklärt der Gründungsdirektor des BIH QUEST Centers.
Das Center am Berlin Institute of Health (BIH) wurde vor drei Jahren gegründet, um die Qualität der Forschung zu verbessern und entwickelt seither diverse Maßnahmen. „Wir haben nun genug Evidenz darüber, dass viele Forschungsvorhaben mangelnde Qualität aufweisen. Und wir wissen, dass sich das nachteilig für das gesamte Forschungsfeld auswirkt, vor allem auch auf die mögliche Übertragung in die klinische Anwendung", begründet Dirnagl die Qualitätsinitiative.
Anreize und Hilfestellungen für bessere Qualität
Ein Grund für die mangelhafte Qualität ist demnach der große Druck, der in der Wissenschaft herrscht. Forscher müssen Drittmittel einwerben, den wissenschaftlichen Nachwuchs ausbilden und möglichst oft hochrangig publizieren. „Da bleibt häufig zu wenig Zeit, um sich auch noch strukturiert mit Fragen der Qualität in der Forschung auseinander zu setzen“, sagt Dirnagl. „Unser Ansatz ist es daher, Anreize und Hilfestellungen zu geben, die es ermöglichen, sich auch um die Qualität der Forschung zu kümmern.“
Das QUEST Center bietet beispielsweise Kurse für Forscher an. Statistische Methoden (eine Schwachstelle von Medizinern) können hier gebüffelt werden oder wie man Daten offenlegt. Außerdem leisten sie Hilfestellung beim Etablieren eines elektronischen Laborbuchs oder beim Veröffentlichen von Klinischen Studien. Zudem wurde ein Preis für das Offenlegen sämtlicher Rohdaten aus Experimenten ausgelobt.
Kulturwandel in der biomedizinischen Forschung angestrebt
Inwieweit diese Maßnahmen Früchte tragen, wird durch Begleitforschung evaluiert. Noch sei es zu früh, um die Effekte zu bewerten, meint Dirnagl. „Bislang können wir nur feststellen, dass immer mehr Gruppen ihre Daten offen publizieren und das elektronische Laborbuch benutzen und dass unsere Kursangebote sehr nachgefragt werden.“ Das stimme ihn zuversichtlich, „dass ein allgemeines Bewusstsein um die Situation vorhanden ist und ein Interesse, daran etwas zu verändern.“
Bessere Qualität bedeutet auch weniger Tierversuche
Ein gewünschter Nebeneffekt des Quest-Center Aktivitäten ist, die Zahl der Tierversuche zu reduzieren. Werden Versuche nämlich gleich so durchgeführt, dass sie zu brauchbaren Ergebnissen führen, braucht es unterm Strich weniger Tiere. Für diesen Kulturwandel in der biomedizinischen Forschung setzen sich die Quest-Forscher im Schulterschluss mit den Kollegen von Charité3R ein. Das 3R Zentrum fördert die Entwicklung von Alternativen, um Tierversuche zu reduzieren und zu ersetzen. Zu den 3R Prinzipien gehört auch die Verfeinerung von Tierversuchen, so dass weniger Tiere umsonst sterben müssen.
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