Zu lange Schnullern schadet der Sprachentwicklung

Abschied tut weh: Vor allem bei Säuglingen ist der Schnuller ein wichtiger Gegenstand, um die Gefühlswelt auszubalancieren. Zu langes Nuckeln birgt in sich allerdings die Gefahr von gesundheitlichen Schäden. – Foto: ©Superingo - stock.adobe.com
Für Säuglinge und Kleinkinder sind Schnuller oft die beste Medizin. Sie helfen gegen Kullertränen, Angst vor der Nacht und Sehnsucht nach der Mutterbrust. Das Nuckeln an ihnen aktiviert die Beruhigungsschleifen des kindlichen Gehirns, erzeugt ein Gefühl von Nähe, Geborgenheit und Entspannung und spendet Trost. Viele Kleinkinder haben über die Nahrungsaufnahme hinaus ein starkes Saugbedürfnis. In der „oralen Phase“ erfahren Kinder ihre Gefühlswelt stark über den Mund.
Über den Saugreflex können sie ihre Gefühle mit der neuen Umgebung in Einklang bringen und Spannungen und überschüssige Energien abbauen. Hier ist der Schnuller unverzichtbar. Trotzdem müssen Kinder zu richtigen Zeit von dieser soften Form der Sucht entwöhnt werden – in der Zeit zwischen dem zweiten und dritten Lebensjahr. Wenn Kinder zu lange am Schnuller hängen (dürfen), kann das auf kurze und sogar mittlere Sicht zu Lasten ihrer Gesundheit gehen.
Sauerstoffversorgung um bis zu 40 Prozent gedrosselt
Andrea Thumeyer, Zahnärztin in Wiesbaden und Vorsitzende der Landesarbeitsgemeinschaft Jugendzahnpflege in Hessen nennt im Apothekenmagazin „Baby und Familie“ drei Risiken: Sprachentwicklungsverzögerungen, kieferorthopädische Probleme und eine eingeschränkte Nasen- und Mundatmung. „Die Sauerstoffversorgung der Kinder ist dadurch um bis zu 40 Prozent reduziert", erklärt die Ärztin.
Langes Nuckeln kann zu Zahnfehlstellung führen
Am Kiefer kann durch übermäßiges Schnullern ein sogenannter offener Biss entstehen. Darunter versteht die Zahnmedizin eine Zahnfehlstellung, bei der die Frontzähne beim Zusammenbiss nicht aufeinandertreffen, sondern einen Abstand aufweisen, weil die Zähne zur Mitte hin tiefer im Kiefer stecken bleiben als bei unbehindertem Zahnwachstum. Er kann einhergehen mit Zahn-Engstand, Kiefer- und Zahnfehlstellungen, Neigung zu Infektionen im Hals-Nasen-Ohren-Bereich, zu Sprechfehlern wie Lispeln und sogar zu Karies. Bereits wenn die ersten Milchzähne herausbrechen, kann der Schnuller Schäden verursachen.
Schnullerentwöhnung: Ab dem sechsten Monat kann es losgehen
Mit Beginn des Zahndurchbruches (ab dem sechsten Monat), wenn Kinder die ersten Zähne bekommen, wandelt sich der Saugreflex zunehmend in die Kautechnik um. Das Kind lernt jetzt vom Löffel zu essen, zu greifen, zu sprechen und beruhigt sich gerne durch Zubeißen. „Dies ist das ideale Alter, um den Schnuller abzugewöhnen“, sagt der Augsburger Kinderarzt Martin Lang. „Er sollte ab dem achten Lebensmonat durch einen Beißring oder ein beißfestes Schmusetier oder ein Schmusetuch ersetzt werden.“
Grundsätzlich raten Experten spätestens zur Schnullerentwöhnung in der Zeit zwischen dem zweiten und dritten Lebensjahr. Zu diesem Zeitpunkt kann der im Wachstum befindliche Kiefer eventuelle Fehlbildungen noch selbst korrigieren. Wird dieses Zeitfenster verpasst, ist laut Zahnärztin Thumeyer häufig eine langwierige kieferorthopädische, logopädische und physiotherapeutische Behandlung nötig.
Auch bei älteren Kindern: Kleinste Schnullergröße wählen
Selbst wenn sich Kleinkinder mit dem Nuckeln gut beruhigen ließen, sollten Eltern zunächst darauf achten, dass Bedürfnisse nach Nahrung, Nähe oder Schlaf befriedigt sind, rät Thumeyer. Auch sollten Eltern auch bei älteren Kindern die kleinste Schnullergröße wählen, denn: Je weniger Platz das Beruhigungsmittel aus Latex oder Silikon im Mund einnimmt, desto weniger Schaden kann es anrichten. Und Kinderarzt Peter Voitl aus Wien rät Eltern, dem Kind den Schnuller im Entwöhnungsalter nur noch kurz zu geben oder wenn es wirklich danach verlangt. Beim Schlafen und Sprechen sollte man dem Kind den Schnuller aus dem Mund nehmen und gleichzeitig vermeiden, dass mehrere Schnuller in Griffnähe des Kindes liegen.
Im Zweifelsfall: Schnuller weniger schädlich als der Daumen
Bei Kindern, die sich mit der Schnullerentwöhnung besonders schwer tun, rät Kinderarzt Voitl allerdings dazu, nicht unnötig streng zu sein und ihnen auf keinen Fall den Schnuller wegzunehmen. Denn: Auch wenn ein spätes Schnullern dem Kind schaden kann – Daumenlutschen schadet noch viel mehr. „Grundsätzlich ist ein Schnuller dem Daumen vorzuziehen“, sagt Kinderarzt Voitl. „Er ist aus einem weichen Material und in seiner Form dem Gaumen beziehungsweise größenmäßig dem Mund des Kindes angepasst. Der Daumen hingegen ist hart und nicht kiefergerecht geformt. So entstehen durch das Daumenlutschen eher schwer korrigierbare Fehlbildungen am Kiefer beziehungsweise Zahnfehlstellungen. Es ist besser, den Schnuller noch hin und wieder zu geben, bevor man ganz entwöhnt, als dass das Kind beginnt, Daumen zu lutschen.“
Für das Abschiednehmen vom Schnuller empfehlen Zahn- und Kinderärzte ein konsequentes Verhalten aber auch eine verstärkte Zuwendung der Eltern, Rituale und spielerische Momente.
Fünf Tipps und Tricks zur erfolgreichen Schnuller-Entwöhnung
- Mit einer Nadel ein Loch in den Schnuller stechen. Dadurch wird das Nuckeln anstrengender.
- Jede Woche ein bis drei Millimeter von der Schnullerspitze abschneiden. So wird der Schnuller unattraktiv.
- Lutschkalender: Jeder Tag ohne Schnuller wird für alle sichtbar gekennzeichnet. Mehrere Tage „ohne“ werden besonders belohnt.
- Schläft das Kind ohne Schnuller, kommt nachts die „Schnullerfee“. Am nächsten Morgen liegt ein kleines Geschenk am Bett.
- Frühzeitig von Nuckel-Trinkflaschen zu Trinkbechern mit festem Mundstück wechseln. Ein Dauernuckeln mit süßen Getränken kann überdies zur sogenannten Nuckelflaschen-Karies führen.
(Quelle: kinderärzte-im-netz.de, kinderarzt-augsburg.de)
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