„Weniger Zucker“ heißt nicht automatisch „weniger Kalorien“

In vielen Lebensmitteln ist mehr Zucker enthalten als gedacht. Oft ist er versteckt. – Foto: ©ohenze - stock.adobe.com
90 Gramm Zucker nimmt jeder Deutsche täglich zu sich – fast doppelt so viel, wie die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt. 50 Gramm pro Tag hält die WHO bei Erwachsenen für gesundheitlich unbedenklich, 25 Gramm bei Kindern. Weil schon Kinder und Jugendliche viel zu viel Zucker konsumieren und besonders die junge Generation in steigendem Maß mit Übergewicht und Diabetes zu kämpfen hat, sah sich etwa die AOK dazu veranlasst, eine nationale Kampagne zur Zuckerreduktion in Lebensmitteln und Getränken zu starten. Ziel dieser und anderer Kampagnen: deutlich mehr Anstrengungen von Politik und Lebensmittelindustrie zur wirksamen Zuckerreduktion. Lebensmitteln zugesetzter Zucker ist nach Einschätzung der AOK bei den genannten Zivilisationskrankheiten die Hauptursache.
Viele unterschätzen Zuckergehalt von Lebensmitteln
Problem Nummer eins für den Verbraucher: Viele können sich nicht vorstellen, wie viel Zucker tatsächlich in Lebensmitteln stecken kann. In einer Untersuchung des Max-Planck-Instituts sollten beispielsweise Eltern den Zuckergehalt eines handelsüblichen 250-Gramm-Bechers Fruchtjoghurt beziffern – in der Einheit Würfelzuckerstückchen. Das Ergebnis: 92 Prozent der Eltern tippten auf vier – tatsächlich waren es aber elf.
Karamellsirup, Maltodextrin: Tarnnamen für versteckten Zucker
Problem Nummer zwei: Selbst dem gesundheitsbewussten Konsumenten wird es beim Einkauf nicht immer leicht gemacht. In vielen Lebensmitteln befindet sich sogenannter versteckter Zucker: in Form von Zutaten, die für ihn nicht so ohne weiteres als süßende Zutat oder Beitrag zum Gesamtzuckergehalt identifiziert werden können. Dann ist ein Teil des Zuckers vielleicht tatsächlich als „(Haushalts-)Zucker“ (Saccharose) deklariert; aber der Gesamtzuckergehalt ist unterm Strich größer, denn ein weiterer Teil des Zuckergehalts verbirgt sich leise hinter Tarnnamen wie Maltodextrin, Fruktose, Karamellsirup oder Gerstenmalzextrakt.
Liest der Verbraucher dann noch auf einer Packung Knuspermüsli oder Erdbeerkonfitüre den Hinweis „ohne Zuckerzusatz“ oder gar „zuckerreduziert“, greift er schnell und guten Gewissens zu. Doch genau an dieser Stelle ist Vorsicht geboten.
„Wer den Zucker reduziert, muss ihn durch andere Zutaten ersetzen“
Kritik an diesen mit Vorsicht zu genießenden Labels kommt jetzt von unerwarteter Seite – von der „Wirtschaftlichen Vereinigung Zucker e.V.“ (WVZ), einer Organisation der deutschen Zuckerindustrie. „Tatsächlich liegen viele der mit dem Hinweis ‚zuckerreduziert‘ oder ‚ohne Zuckerzusatz‘ beworbenen Produkte und auch die Produktionsbemühungen bei Eigenmarken der Handelsketten weit unter den Erwartungen der Verbraucher“, heißt es in einer Mitteilung des Verbands. Der Hinweis „weniger Zucker“ bedeute nicht gleich „weniger Kalorien“. „Wer Zucker in festen Lebensmitteln reduziert, muss ihn durch andere Zutaten ersetzen“, stellt die WVZ weiter fest. „Daher haben zuckerreduzierte Produkte in vielen Fällen ähnlich viele Kalorien wie solche mit vollem Zuckergehalt.“
Nach einer aktuellen Forsa-Umfrage im Auftrag der WVZ erwartet die große Mehrheit der Verbraucher, dass ein Produkt mit weniger Zucker am Ende auch weniger Kalorien enthalten muss - logischerweise. Je nach Beispiel waren dies in der Forsa-Studie bis 90 Prozent. Bis zu zwei Drittel der Befragten waren der Ansicht, dass Produkte mit weniger Zucker mindestens 30 Prozent weniger Kalorien enthalten sollten. Neben Zucker gelten auch bestimmte Fette und Kochsalz in Nahrungsmitteln - im Übermaß konsumiert - als langfristig gesundheitsschädlich und als Mitverursacher zahlreicher Volkskrankheiten.
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