Welchen Einfluss hat Migration auf die psychische Gesundheit?

Die Migration beeinflusst die psychische Gesundheit der Zugewanderten – Foto: ©Richtsteiger - stock.adobe.com
Dr. Ana Nanette Tibubos, Psychologin an der Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Universitätsmedizin Mainz, sammelt und analysiert jetzt weltweit Daten zu Migration und psychischer Gesundheit.
Die wissenschaftlichen Erkenntnisse sollen praktische Hilfe bieten. So um sinnvolle Präventionmaßnahmen und kultursensible und effiziente Therapieangebote für immigrierte Menschen zu entwickeln. An der Studie, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert wird, ist auch Dr. Hannes Kröger vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) beteiligt.
Welchen Einfluss hat Migration auf die psychische Gesundheit?
In Deutschland und anderen klassischen Einwanderungsländern hat gut jede fünfte Person einen Migrationshintergrund. Wie es um die psychische Gesundheit der Migranten bestellt ist, ob und warum sie sich ändert und inwieweit Mobilität, Migration und mentale Gesundheit zusammenhängen, das will Dr. Tibubos herausfinden.
Die zentralen Forschungsfragen ihrer Studie "Dynamics of Mental Health of Migrants (DMHM) - Analyzing dynamics of resilience and vulnerabilities using a synthesis of socio-structural and psychological approaches" lauten: Inwiefern beeinflussen individuelle Merkmale, wie beispielsweise Persönlichkeitseigenschaften und kulturelle Prägung, die Entwicklung der psychischen Gesundheit bei Migranten?
Familiäre Beziehungen, Kultur und gesellschaftliches Umfeld
Psychologische und sozio-strukturellen Faktoren können als als stärkende Ressourcen (Resilienzfaktoren) beziehungsweise als Stressoren (Risikofaktoren) gewertet werden. Dazu zählen familiäre Beziehungen, Persönlichkeitsmerkmale und sozio-ökonomische Variablen.
Insbesondere bei psychischen Erkrankungen zählen sowohl biologische Komponenten als auch die psychosoziale Prägung, also die Kultur und das gesellschaftliche Umfeld, in dem ein Mensch aufgewachsen ist, und der individuelle Lebensstil zu den wichtigen Krankheits- und Resilienzfaktoren.
Klassische Zuwanderungsländer und Arbeitsmigration
Dr. Tibubos wird für ihre Studie Daten aus vier Ländern zusammenführen und auswerten, und zwar repräsentative Längsschnittdaten von über 83.000 Menschen, davon mehr als 25.000 mit Migrationshintergrund, aus vier Kohortenstudien aus Deutschland, USA, Großbritannien und Australien.
Sie will wissen: Wie hat sich die psychische Gesundheit von Menschen mit Migrationshintergrund in diesen vier Ländern entwickelt? Lassen sich im Vergleich von klassischen Zuwanderungsländern beziehungsweise Ländern mit kolonialer Vergangenheit und Ländern mit arbeitsbedingter Migration systematische Unterschiede herausfinden, die im Zusammenhang stehen mit der Migrationshistorie und dem Gesundheitssystem des jeweiligen Landes?
Was hält seelisch gesund trotz erlebter Widrigkeiten?
Ziel der Studie ist es, zu erforschen, was Menschen psychisch gesund, also resilient hält, obwohl sie im Zusammenhang mit ihrer Immigration in ein neues Land Widrigkeiten erlebt haben. Die erzielten Ergebnisse sollen Public Health-Initiativen unterstützen, die sich um die öffentlichen Gesundheit kümmern.
Zudem könnten die Ergebnisse zur Verbesserung von Versorgungsstrukturen und für eine individualisierte Medizin, die die Besonderheiten eines jeden Menschen und seiner ursprünglichen Landeskultur bei ihrer Behandlung berücksichtigt, genutzt werden.
Die Projektergebnisse sollen auch als Grundlage dafür dienen, theoretische Modelle weiterzuentwickeln, die den Zusammenhang von Gesundheit und kultureller Angleichung an eine fremde Gesellschaft, sogenannte Akkulturationsprozesse, abbilden.
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