Was kann das Gesundheitssystem für den Klimaschutz tun?

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Auch das Gesundheitssystem muss nachhaltiger werden und etwas für den Klimaschutz tun. Darüber diskutierten Experten auf dem Demografiekongress 2021 in Berlin. Der Sektor ist für 5 Prozent der gesamten jährlichen CO2-Emissionen in Deutschland verantwortlich.
Ein gutes Beispiel, wie das funktionieren kann, gibt es in Berlin: das Evangelische Krankenhaus Hubertus in Zehlendorf. Es wurde vom BUND bereits zum vierten Mal zum Energie sparenden Krankenhaus gekürt, sagt Geschäftsführer Dr. Matthias Albrecht. Wichtig sei vor allem, dass die Klinikleitung sich das Thema auf die Agenda setzt.
OP-Säle und Klimaanlage fressen viel Strom
Strom fressen besonders Untersuchungsgeräte wie MRT und CT, die OP-Säle und die Klimaanlage. Wichtigste Intervention: Mit umweltfreundlicheren Techniken Strom und Wärme gewinnen, in dem Fall Blockheizkraftwerk und Photovoltaik-Anlage auf dem Dach. Die energetische Sanierung der Fassade wiederum dürfte für viele andere Kliniken aufgrund der Baulichkeiten nicht möglich sein.
Das Hubertus-Krankenhaus hat eine Klima-Managerin benannt, eine ehemalige Krankenschwester, die im Haus den Veränderungsprozess anschiebt und begleitet. So wurden in den Umkleiden für das Personal Bewegungsmelder installiert, damit das Licht dort nicht ohne Unterlass brennt.
Leitungswasser und nachhaltiges Inkontinenzmaterial
In der Küche wird weniger Fleisch verarbeitet, es gibt nur noch Leitungswasser, und beim Einkauf wird auf Mehrweg oder unverpackte Produkte geachtet. Das gilt auch für Medizin-Produkte. So wird nachhaltiges Inkontinenzmaterial verwendet, um weniger Abfall zu erzeugen.
Viel Verpackungsmüll fällt aus hygienischen Gründen an. "Bei einem Herzkatheter haben sie mehrere Säcke Plastikmüll", erklärt Albrecht. Das lässt sich derzeit noch nicht ändern. Die Mitarbeiter werden angeregt, mit dem Rad zur Arbeit zu kommen, soweit möglich. Dienstreisen finden per Bahn statt. Das Regenwasser wird in einem alten Tank gesammelt und für die Toiletten genutzt.
Klimaschutz hilft gegen Zivilisationskrankheiten
Bis vor zwei Jahren habe der Gesundheitssektor geschlafen, was das Bewusstsein für die Risiken des Klimawandels anbetrifft, auch in Ministerien und Kommunen wurde der Zusammenhang zwischen Klimakrise und Gesundheit nicht erkannt. Das meint Dr. Martin Hermann, Vorsitzender von KLUG, Deutsche Allianz für Klimawandel und Gesundheit. Dabei habe dieser schon heute massive Auswirkungen auf die Gesundheit von Pflanze, Tier und Mensch.
Erfolge beim Klimaschutz bedeuten auch einen Erfolg im Kampf gegen Zivilisationskrankheiten, mehr Bewegung (weniger Autofahren) und bessere Luft (weniger Schadstoff-Ausstoß) kommen direkt der Gesundheit zugute. Einzelnde dächten oft: "Ich kann ja eh nichts machen." Hermann fordert: "Das muss ganz oben auf der Agenda stehen." Kampagnen könnten zum Handeln ermutigen. "Ohne Gesundheit ist alles nichts."
Hersteller müssen auf Arbeits- und Umweltschutz achten
Die AOK versucht derweil, das Thema Prävention und Nachhaltigkeit mit einem für Kitas konzipierten Programm und einem Tournee-Theater für Schüler bei Jüngeren zu verankern. Das erläutert Prof. Kai Kolpatzik, Leiter der Abteilung Prävention beim AOK-Bundesverband.
Die bundesweit verteilten Standorte sind dazu angehalten, Emissionen zu reduzieren und Abfall zu vermeiden. Auch über einen anderen Hebel versucht die AOK, Veränderungen zu bewirken: Üblich ist, dass Kassen für bestimmte Wirkstoffe einen Rabattvertrag mit einem Hersteller aushandeln. Der sitzt zum Beispiel in Indien. In den Vertrag schreibt die AOK nun hinein, dass sich diese Firma verpflichtet, bei der Produktion Arbeits- und Umweltschutz-Standards einzuhalten. Dazu gehört, nicht die Gewässer zu belasten.
Bislang galten Krankenkassen eher als Bremser, die vor allem ans Sparen denken. "Mittlerweile haben sie die innovativsten Ideen", lobt Prof. Alfred Holzgreve, Direktor Wissenschaftliche Projekte und Kooperationen bei Vivantes, der die Expertenrunde moderierte.