
Berührungen sind ein menschliches Grundbedürfnis – und besonders bei Babys wichtig für die Gesundheit. – Foto: AdobeStock/S.Kobold
Säugetiere und damit auch Menschen besitzen einen besonderen Sinn: die affektive Berührung, also Körperkontakt, der Gefühle schenken, auslösen und befriedigen kann. Für Menschen jeglichen Alters ist Berührung wohltuend – für Menschen im Babyalter ist sie lebenswichtig. Wie wichtig sie ist, zeigen zum Beispiel Studien aus den USA, die mit Frühgeborenen im Brutkasten durchgeführt wurden:
Kinder, die dreimal täglich für 15 Minuten gestreichelt wurden, nahmen um fast 50 Prozent schneller zu, waren aktiver und ausgeglichener, weinten seltener und schliefen besser, konnten ihren Entwicklungsrückstand rascher aufholen und im Schnitt sechs Tage früher aus dem Brustkasten entlassen werden. Berührung reduziert Experten zufolge die Ausschüttung des Stresshormons Cortisol, stärkt das Immunsystem und wirkt sich günstig auf geistige und psychische Gesundheit aus.
Wie Berührung im Körper Gesundheit erzeugt
Emotionsgesteuerter Körperkontakt im Menschen wird von sogenannten C-taktilen Nervenfasern aufgenommen, die die Haut durchziehen. Sie sind evolutionsgeschichtlich sehr alt und reagieren auf zwischenmenschliche Berührung, wie sie etwa beim Streicheln vorkommt. Gerade dieser sanfte Kontakt hat einen positiven Effekt auf den Körper: Er fühlt sich nicht nur angenehm an, sondern baut auch Stress ab. „Streicheln aktiviert den Parasympathikus – also den Teil unseres Nervensystems, der uns in den Entspannungszustand bringt“, sagt Ilona Croy, Psychologin an der Universität Jena und Leiterin eines dort laufenden Forschungsprojekts zur medizinischen Wirkung von Berührung bei Babys. „Es verlangsamt beispielsweise den Herzschlag und erhöht die Herzratenvariabilität, also die Zeit der Abstände zwischen den einzelnen Herzschlägen, die bei einem gesunden Herzen nicht absolut gleichmäßig folgen, sondern mit minimalen Abweichungen.“
Wie schnell oder langsam ist die optimale Berührung?
Wissenschaftlich geklärt ist, dass die für gefühlbetonte Berührung empfänglichen C-taktilen Nervenfasern bei Neugeborenen bereits funktionsfähig sind, was Eltern beispielsweise ermöglicht, Babys durch Körperkontakt zu beruhigen. „Als besonders optimal hat sich eine Streichelgeschwindigkeit von ein bis zehn Zentimetern pro Sekunde bei einer Oberflächentemperatur der Haut von 32 Grad Celsius herausgestellt", heißt es in einer Mitteilung der Universität Jena.
Forschungsprojekt gegen Frühgeborenen-Stress
Das in Jena forschende Team um Psychologie-Professorin Croy will die Empfänglichkeit für Berührung in einem Projekt der Grundlagenforschung jetzt noch einmal vertiefen und versuchen herauszufinden, wann genau bei Babys diese wichtigen Bestandteile des Nervensystems, die C-taktilen Nervenfasern, vollständig ausgereift sind. Weil frühgeborene Kinder körperlich vor der Geburtsreife liegen und dennoch Forschungen erlauben, werden bei dem aktuellen Projekt 80 Elternpaare eingeladen, ihre frühgeborene Kinder im Krankenhaus unter wissenschaftlicher Begleitung zu streicheln. Dann werden die Forscher beobachten und dokumentieren, wie (positiv) sich dies auf den Herzrhythmus und die Sauerstoffsättigung im Blut auswirken kann.
Die zweite Intention des Projekts ist es, eine medizinische Interventionsmethode zu entwickeln, die dabei hilft, den Stress, dem frühgeborene Kinder ausgesetzt sind, abzubauen und ihnen damit eine bessere körperliche und psychische Entwicklung zu ermöglichen.