Vor Rücken-OP Zweitmeinung einholen

OP bei Rückenschmerz oft überflüssig
Kann man ständige Schmerzen einfach wegoperieren? Viele Ärzte und Patienten scheinen davon überzeugt zu sein. So stieg in Deutschland beispielsweise zwischen 2007 und 2010 die Zahl der Bandscheiben-Operationen um 30 Prozent. Im Jahr 2007 registrierte das Statistische Bundesamt 140.000 Eingriffe, 2010 waren es bereits 171.000. Die Zahl der Wirbelsäulenversteifungen mit Schrauben und Platten aus Metall hat sich in diesem Zeitraum sogar nahezu verdreifacht.
"Schmerz alleine ist noch keine Indikation für eine Operation", warnt Dr. Gerhard H. H. Müller-Schwefe, Göppingen, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie. "Wir wissen beispielsweise schon seit Jahren, dass es Patienten mit Bandscheibenvorfall und ins Bein ausstrahlenden Schmerzen ob mit oder ohne OP nach einem Jahr besser geht", so der Experte.
In knapp 90 Prozent der Fälle war die Rücken-OP gar nicht nötig
Trotz aller Fortschritte der Operationstechniken mehren sich inzwischen die Hinweise, dass viele dieser Eingriffe nicht nur überflüssig, sondern mitunter sogar schädlich. Eine Zweitmeinung sei in jedem Fall sinnvoll, wenn eine Rücken-Operation ansteht, rät der Schmerzexperte. Die Techniker Krankenkasse und die Deutsche BKK bieten ihren Versicherten die Möglichkeit, sich vor einer Rücken-Operation eine zweite Expertenmeinung in spezialisierten Schmerzzentren der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie einzuholen. Dort haben mittlerweile 600 Rückenschmerz-Patienten von einem Zweitmeinungs-Angebot Gebrauch gemacht.
Das Ergebnis einer Auswertung des Programms überrascht selbst Experten: In 87 Prozent der Fälle riet das Schmerzteam - bestehend aus Schmerzmediziner, Psychotherapeut und Physiotherapeut - von einer Operation ab. Der Mehrzahl dieser Patienten, 66 Prozent, wurde eine Weiterbehandlung bei ihrem betreuenden Arzt empfohlen. Bei 21 Prozent der Patienten empfahl das Team eine sogenannte multimodale Therapie, die inzwischen der Goldstandard in der Schmerzbehandlung ist. Multimodal bedeutet, dass verschiedene Therapien - Medikamente, Bewegung, psychologische Strategien, Physiotherapie - von jeweiligen Experten im Rahmen eines Kompaktprogrammes kombiniert werden. "Dieses Vorgehen ist besonders bei Rückenschmerzen hochwirksam", sagt Dr. Müller-Schwefe. "Die Erfolgsrate liegt bei über 80 Prozent."
Trotzdem gebe es natürlich Fälle, bei denen eine Operation hilfreicher sei. "Man darf nicht so lange warten bis unumkehrbare Schäden entstanden sind, wenn ein Eingriff die beste Lösung ist." Entscheidend sei die richtige Diagnose.
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