
Was viele Menschen vermuten, belegt nun eine wissenschaftlich Studie: Stress kann das Sehvermögen beeinträchtigen, und zwar dauerhaft – Foto: ©Kittiphan - stock.adobe.com
Anhaltender Stress löst im Körper eine ganze Reihe von Beschwerden aus. Biochemisch ist das erklärbar. Doch es sind nicht nur Klassiker wie Bluthochdruck, Kopfschmerzen oder Herzinfarkte, wie nun eine neue Studie der Uni Magdeburg zeigt. Auch die Sehkraft kann Schaden nehmen und sogar eine Teil-Erblindung ist möglich.
„Kontinuierlicher Stress und langfristig erhöhte Cortisolwerte können sich negativ auf das Auge und das Gehirn auswirken, da das vegetative Nervensystem unausgeglichen ist, die Blutgefäße dysreguliert werden und der Augeninnendruck steigt", erklärt Studienleiter Prof. Bernhard Sabel, Direktor des Instituts für Medizinische Psychologie der Universität Magdeburg. Denn nicht nur das Auge, auch das Gehirn sei am Sehverlust beteiligt.
Sehverlust Folge von Stress – und umgekehrt
Die Studie, die jetzt im EPMA Journal veröffentlicht wurde, basiert auf einer umfassenden Analyse von Hunderten veröffentlichten Forschungsergebnissen und klinischen Berichten über den Zusammenhang von Stress und Augenerkrankungen.
In der Literatur ist das Phänomen bislang allerdings nicht systematisch dokumentiert. Wesentlich mehr wissenschaftliche Belege gibt es für den umgekehrten Fall: Nämlich dass Sehkraftverlust oder eine Erblindung zu Stress führen können. Nach den Ergebnissen der Magdeburger Wissenschaftler ist dies jedoch nur eine Seite der Medaille: „Es gibt deutliche Hinweise auf eine psychosomatische Komponente des Sehverlustes, denn Stress ist eine wichtige Ursache – und nicht nur eine Folge – des fortschreitenden Sehverlustes infolge von Erkrankungen wie Glaukom und Optikusneuropathie", sagt Sabel. Viele Patienten spüren auch instinktiv, wie Stress ihr Sehvermögen nachhaltig mindert. Etliche Fallberichte der Studie untermauern das jetzt.
Die Studie zeigt jedoch auch einen Ausweg auf: Demnach kann der fortschreitende Sehverlust durch Entspannungstechniken und andere Verfahren abgebremst und mitunter die Sehkraft sogar wieder verbessert werden. Dadurch könne der Teufelskreis aus Stress und fortschreitendem Sehverlust unterbrochen werden, berichten die Autoren.
Durch Entspannung erholt sich das Auge
Sabel und seine Kollegen empfehlen darum Stressreduktions- und Entspannungstechniken wie Meditation, autogenes Training und Stressmanagement-Training und unter Umständen auch eine Psychotherapie oder Hirnstimulation. Laut Sabel wird so für eine Entspannungsreaktion gesorgt, die das vegetative System durch Reduzierung der sympathischen und Steigerung der parasympathischen Aktivität wieder ins Gleichgewicht bringt. „Diese Therapien wurden erfolgreich in Verbindung mit Therapien eingesetzt, um die Durchblutung des Auges zu erhöhen und damit das Fenster für die Wiederherstellung des Sehvermögens zu öffnen“, sagt Sabel. Der Psychologe findet, dass Augenärzte ganzheitlicher behandeln sollten. „Eine ganzheitliche Ergänzung der augenärztlichen Behandlungen etwa mit Elektrostimulation und Entspannungsverfahren bietet neue Chancen, die Sehleistung bei Erkrankungen wie dem Glaukom oder der Schädigung des Sehnervs zu verbessern.“ Eine neue Brille ist demnach nur Teil der Lösung.
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