Statine unter der Lupe: Nutzen von Cholesterinsenkern offenbar überschätzt

Statine senken das schädliche LDL-Cholesterin und gehören zu den am häufigsten verordneten Medikamenten – Foto: © AOK Mediendienst
Das LDL-Cholesterin ist das „böse“ Cholesterin, weil es Arterienverkalkung verursacht. Die sogenannte Arteriosklerose kann wiederum zu kardiovaskulären Ereignissen wie Herzinfarkt, Schlaganfall und weiteren Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen. Statine senken das LDL-Cholesterin und gehören hierzulande zu den am häufigsten verwendeten Medikamenten. Schließlich sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind nach wie vor die Todesursache Nummer eins. Etliche Studien zeigen, dass die Einnahme von Statinen kardiovaskulären Ereignissen vorbeugen und auch die Sterblichkeit senken kann.
Die Effekte von Statinen
Zu den viel beachteten Studien gehören die Arbeiten der Cholesterol Treatment Trialists' (CTT) Collaboration. Danach kann eine Senkung des LDL-Cholesterins um 38,7 mg/dL das relative Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse um 21 Prozent und die Gesamtsterblichkeit um 10 Prozent reduzieren. Die Quintessenz der CTT-Wissenschaftler lautet: Je niedriger der Cholesterinspiegel, desto weniger kardiovaskulären Ereignisse.
Was die CTT-Autoren nicht veröffentlichen, sind die Zahlen zur absoluten Risikoreduktion. Dass nur die relative Risikoreduktion angegeben wird, sieht eine Gruppe von Wissenschaftlern kritisch. Das ließe den Nutzen einer Therapie mit Statinen größer erscheinen als er wirklich sei, schreibt das Team um Paula Byrne in der Märzausgabe von „JAMA Internal Medicine“.
Absolute Risikoreduktion bescheiden
Nun haben die Wissenschaftler selbst eine Meta-Analyse durchgeführt, um zu untersuchen, inwieweit die Senkung LDL-Cholesterins das absolute Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall oder Tod (ungeachtet der Todesursache) reduzieren kann. 21 randomisierte klinische Studien flossen in die Arbeit ein. Und siehe da: Betrachtet man die absolute Risikoreduktion, ist der Nutzen von Statinen recht bescheiden. So reduzierten Statine das absolute Risiko für Tod jedweder Ursache im Vergleich zur Kontrollgruppe gerade mal um 0,8 Prozent. Die relative Risikoreduktion betrug dagegen 9 Prozent. Bei Herzinfarkten stand dem absoluten Wert von 1,3 Prozent ein relativer von 29 Prozent gegenüber und bei Schlaganfällen waren es 0,4 Prozent versus 14 Prozent.
Bezogen auf die relative Risikoreduktion kommen die Jama-Autoren also zu ganz ähnlichen Ergebnissen wie die CTT-Wissenschaftler. Die Gegenüberstellung der absoluten Risikoreduktion verdeutlicht jedoch, um wieviel geringer der Nutzen der Statine tatsächlich ist.
Autoren finden Lücken in der Evidenz
Die Autoren schlussfolgern aus ihrer Untersuchung, dass der Nutzen von Statinen bezogen auf die Senkung des Risikos für Herzinfarkt, Schlaganfall oder Tod sehr bescheiden ausfällt, sobald man die absoluten Zahlen betrachte. Zudem müsse man Abstriche bei der Evidenz machen, da die Ergebnisse der untersuchten Studien sehr heterogen gewesen sein. Ferner lasse sich aus den Studien nicht ableiten, inwieweit die beobachteten Effekte überhaupt auf das Ausmaß der Cholesterinsenkung zurückzuführen seien. Paula Byrne und ihre Mitstreiter fordern, dass die Wissenschaft die absolute Risikoreduktion klarer kommunizieren sollte, damit Ärzte und auch Patienten den Nutzen von Statinen besser einordnen können.
Der Unterschied zwischen absoluter und relativer Risikoreduktion
Angaben über die relative Risikoreduktionen oder relative Wirksamkeit können selbst Ärzte in die Irre führen. Ein Beispiel: Wenn zum Beispiel in der Kontrollgruppe einer Studie 30 von 100 Teilnehmern gestorben sind und in der Therapiegruppe 20 Teilnehmer – dann beträgt die absolute Risikoreduktion 10 Prozent (30 - 20).
Die relative Risikoreduktion ist dagegen das Verhältnis zwischen den beiden Werten und beträgt in diesem Beispiel 33 Prozent [(30 – 20): 30]. Die Zahl gibt also an, dass in der Therapiegruppe ein Drittel bzw. 33 Prozent weniger Menschen gestorben sind als in der Kontrollgruppe – wobei der eigentliche Unterschied nur 10 Prozentpunkte beträgt.
Die relative Risikoreduktion oder relative Wirksamkeit wird gerne benutzt, um erreichte Effekte größer erscheinen zu lassen – wird jedoch zunehmend kritisch gesehen, wie die Meta-Analyse zu Statinen zeigt.