Star-Geigerin Anne-Sophie Mutter ist neue Präsidentin der Deutschen Krebshilfe

Anne-Sophie-Mutter, neue Präsidentin der Stiftung Deutsche Krebshilfe. Im Hintergrund: Der Garten der ersten Palliativmedizin Deutschlands – eine gemeinsame Gründung von Uniklinik Köln und Deutscher Krebshilfe. – Foto: Deutsche Krebshilfe/Andreas Pohlmann, Uniklinik Köln/ Dorothea Hensen. Montage: Adalbert Zehnder
Für die einen ist die Deutsche Krebshilfe eine abstrakte Institution. Die anderen denken vielleicht an einen Ort, der in Deutschland einzigartig ist – und der der Arbeit der Krebshilfe ein eindrucksvolles Gesicht gibt. Mitten auf dem Areal der Kölner Uniklinik, das aus der Vogelperspektive wirkt wie ein Gewerbegebiet, steht ein buntes Haus mit parkähnlichem Garten, den Mauern vor der hektischen Welt da draußen abschirmen. Im Frühling blühen hier die Kirschen. Im Sommer leuchten hier Sonnenschirme, Gartenkonzerte finden statt. Es könnte das Konsulat eines sympathischen Landes sein.
1983: Erste Palliativstation Deutschlands
In Wirklichkeit ist es eine Pioniereinrichtung im Kampf gegen den Krebs: das Mildred-Scheel-Haus. 1983 nahm in Köln eine von der Krebshilfe eingerichtete Palliativstation als erste in ganz Deutschland ihren ersten Patienten auf; 1992 fand sie im Mildred-Scheel-Haus ihr einzigartiges Zuhause: Es ist eine Insel der Ruhe und der Mitmenschlichkeit, die unheilbar Kranken in ihren letzen Tagen Lebensqualität schenken und am Ende ein Sterben in Würde ermöglichen will. Wenn es warm ist, kann man sein Krankenbett auf die Terrasse schieben lassen, hinaus in die Natur. So kann Krebshilfe aussehen, wenn sie Gestalt annimmt.
Anliegen der Krebshilfe: Krebs soll kein Tabuthema mehr sein
Mittlerweile ist die Zahl der Einrichtungen vom Typ Mildred-Scheel-Haus deutschlandweit auf etwa ein Dutzend angewachsen. Krebs ist heute in der Gesellschaft weit weniger ein Tabu als zur Zeit der Gründung der Krebshilfe im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts. Ein entscheidender Faktor dafür war immer auch die Persönlichkeiten, die dieser abstrakten Krebshilfe in der Öffentlichkeit ein Gesicht gab – und mit ihrer Prominenz oder ihrer Reputation dieser Lobby der schwer Kranken und Sterbenden ein Gewicht. Gründerin war Mildred Scheel, die modern und selbstbewusst auftretende und deshalb sehr populäre damalige First Lady der Bundesrepublik – und Ärztin von Beruf.
Mutter: Nachfolgerin des ARD-Journalisten Fritz Pleitgen
Stiftungsrat und Vorstand der Deutschen Krebshilfe haben jetzt Anne-Sophie Mutter zur neuen Präsidentin der gemeinnützigen Organisation gewählt. Die weltweit bekannte Geigerin wird die Deutsche Krebshilfe in den kommenden fünf Jahren repräsentieren. Sie tritt die Nachfolge des Fernsehjournalisten Fritz Pleitgen an, der das Ehrenamt zehn Jahre innehatte.
Niemand ist „schuld“ an Krebs – jeder kann das Risiko senken
„Täglich erhalten allein in Deutschland rund 1.400 Menschen die Diagnose Krebs. Diesen Menschen, aber auch ihren Angehörigen zu helfen, ist mir ein tiefes Bedürfnis", sagt Mutter. Im Fokus ihres Engagements sieht sie auch die Palliativmedizin: Dort, wo Heilung nicht mehr möglich ist, gilt es, die Lebensqualität des Sterbenden bis zuletzt zu erhalten. Der neuen Präsidentin ist es aber auch ein Anliegen, sich für die Krebsprävention stark zu machen: „Niemand ist ‚schuld‘ daran, an Krebs zu erkranken, denn die Ursachen dafür sind vielfältig. Jeder kann jedoch dazu beitragen, das eigene Risiko zu senken“, sagt Mutter. Experten seien sich einig, dass sich 40 Prozent aller Krebserkrankungen durch eine gesunde Lebensweise vermeiden ließen. Dazu zählten der Verzicht auf Alkohol und Nikotin, eine ausgewogene Ernährung sowie ausreichend Bewegung.
Warum die Krebshilfe die Star-Geigerin auswählte
„Anne-Sophie Mutter ist eine national und international bekannte Ausnahmeerscheinung, eine Frau, die Menschen nicht nur über ihre Musik, sondern vor allem auch durch ihr Einfühlungsvermögen und authentische, unkonventionelle Art begeistert", erklärt Joachim Faber, Vorsitzender des Stiftungsrats der Deutschen Krebshilfe. Die Künstlerin nutzt ihre Prominenz und ihr künstlerisches Wirken bereits seit vielen Jahren, um wohltätige Projekte in aller Welt zu fördern – unter anderem die SOS Kinderdörfer in Syrien, die Schweizerische Multiple Sklerose-Gesellschaft oder „Artists against AIDS" in den USA. Mit dem Thema Krebs verbindet die Star-Musikerin ganz persönliche Erfahrungen, die ihr Leben tiefgreifend verändert haben: Ihr erster Mann starb 1995 an Lungenkrebs, die gemeinsamen Kinder waren zu diesem Zeitpunkt erst ein und drei Jahre alt.
Krebskranke brauchen Unterstützung – ihre Familien auch
„Nicht nur krebskranke Menschen, auch ihre Familien und Angehörigen brauchen unsere volle Unterstützung", sagt Gerd Nettekoven, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krebshilfe. „Durch ihre Erfahrungen mit der Krankheit Krebs hat Anne-Sophie Mutter hautnah erlebt, dass bei einer Krebserkrankung immer die ganze Familie betroffen ist und was das für alle Beteiligten bedeutet. Familien und Angehörigen von Krebspatienten wurde bisher zu wenig Beachtung geschenkt. Ein ganz wichtiges Thema, das wir mit unserer neuen Präsidentin angehen möchten."
Anne-Sophie Mutter: „Tabuisierung von Krebs sehr belastend“.
Anne-Sophie Mutter empfand damals vor allem auch die gesellschaftliche Tabuisierung von Krebs als sehr belastend. „Viele Krebspatienten erleben heute noch ihre Krankheit als soziale Ausgrenzung. Auch wenn sich das öffentliche Bewusstsein – nicht zuletzt dank der Arbeit der Deutschen Krebshilfe – in den vergangenen Jahrzehnten zum Besseren gewandelt hat", sagt Mutter. Gelänge ein offener Umgang mit Krebs, könnte die Lebensqualität vieler Betroffener deutlich verbessert werden.
Hälfte der Krebspatienten kann inzwischen geheilt werden
In Deutschland erkranken jedes Jahr rund 510.000 Menschen an Krebs. Etwa die Hälfte aller erwachsenen Krebspatienten können heute geheilt werden – und vier von fünf betroffenen Kindern. Die Deutsche Krebshilfe finanziert ihre Aktivitäten auf allen Gebieten der Krebsbekämpfung ausschließlich über Spenden. Sie leistet krebskranken Menschen und ihren Angehörigen schnelle und unbürokratische Hilfe, fördert Projekte zur Verbesserung von Prävention, Früherkennung, Diagnose, Therapie, medizinischen Nachsorge und psychosozialer Versorgung, einschließlich der Krebs-Selbsthilfe.