
Jeder ist gesetzlich verpflichtet, in Notsituationen Erste Hilfe zu leisten, auch wenn es eine Herausforderung ist. In Corona-Zeiten ist das nicht anders. Deshalb gilt es, sich jetzt selbst so gut es geht zu schützen. – Foto: Jochen Tack
34.000 Verletzte gibt es jedes Jahr bei Verkehrsunfällen. 50.000 Menschen erleiden im öffentlichen oder privaten Raum einen Herz-Kreislaufstillstand, davon 60 Prozent zu Hause. Die Zahl der meldepflichtigen Arbeitsunfälle (mit mehr als dreitägiger Krankschreibung oder Todesfolge) liegt sogar bei rund 871.000. Notfallsituationen, in denen Laien Erste Hilfe leisten müssen, weil es gilt, Leben zu retten. Vor allem beim Herz-Kreislauf-Stillstand bleibt keine Zeit, zu überlegen. Aber was kann man tun, damit man sich selbst möglichst wenig gefährdet?
Einmalhandschuhe sofort anziehen
„Natürlich ist man in Zeiten einer Pandemie stark verunsichert, wie man sich richtig verhält und will sich selbst nicht in Gefahr bringen. Aber auch in der Corona-Krise haben Menschen, die als Erste an einer Unfallstelle eintreffen, die Pflicht, Erste Hilfe zu leisten“, heißt es beim ADAC. Unabhängig von COVID-19 war und ist es wichtig, Hygienemaßnahmen bei der Ersten Hilfe zu beachten, um sich selbst zu schützen. Einweghandschuhe sind deshalb schon seit vielen Jahren fester Bestandteil im Sortiment des Verbandskastens im Auto. Der eine benutzt sie, der andere nicht. „In Zeiten von Corona aber heißt es: Handschuhe bitte sofort anziehen und helfen!“, so der ADAC. „Auch ein Mundschutz – sowohl für den Ersthelfer als auch, wenn möglich, für die verletzte Person – kann das Risiko einer Ansteckung mit dem Coronavirus verringern.“ Das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 wird hauptsächlich durch Tröpfchen übertragen. Diese entstehen beim Sprechen, Husten und Niesen.
Am besten auch eine Schutzbrille tragen
Auch die Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik (BGHW) rät Ersthelfenden dazu, derzeit besonders auf Maßnahmen des Eigenschutzes achten und Atemschutzmaske und am besten sogar eine Schutzbrille zutragen. Dazu gehört außerdem das Abstand halten, wenn es möglich ist.
Bewusstlosigkeit: Atemkontrolle aus sicherer Distanz
Ist eine Person bewusstlos, muss die Atmung kontrolliert werden. In der aktuellen Corona-Situation soll sich die Atemkontrolle laut dem Deutschen Rat für Wiederbelebung jedoch auf das Überstrecken des Nackens mit Anheben des Kinns und die Beobachtung etwaiger Brustkorbbewegungen beschränken. „Helfer müssen sich derzeit nicht dem Gesicht des Betroffenen nähern, um Atemgeräusche zu hören oder einen Luftzug zu spüren“, schreibt der ADAC in einem Informationspapier für Ersthelfer.
Wiederbelebung: Laien müssen nicht zwingend beatmen
Auch schon vor Covid-19 galt: Eine Atemspende (Mund-zu-Mund- beziehungsweise Mund-zu-Nase-Beatmung) durchzuführen, ist für Laien nicht zwingend erforderlich. Laut aktueller Lehrmeinung ist Herzdruckmassage entscheidender als Beatmung. „Wichtig ist aber, dass Sie bei bewusstlosen Personen mit keiner oder keiner normalen Atmung durchgehend eine Herzdruckmassage ausführen, bis professionelle Helfer übernehmen. In diesem Fall können Sie zum Eigenschutz den Mund und die Nase des Betroffenen mit einem luftdurchlässigen Tuch abdecken“, so die Experten des ADAC. Nach der Hilfeleistung ist es wichtig, sich gründlich die Hände zu waschen und zu desinfizieren.
Im Betrieb: Beatmung offiziell Teil der Wiederbelebung
Etwas anderes gelagert als im öffentlichen Leben sind offenbar die Bestimmungen bei der Erste-Hilfe-Leistung in Betrieben. „Die Frage zur möglichen Infektionsgefahr bei der Beatmung ist berechtigt, insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen Gesundheitslage und umso mehr, je höher die Anzahl nicht getestet infizierter und nicht genesener Personen steigt“, heißt es bei der Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik (BGHW). Die Schulungsstandards für Betriebliche Ersthelfer sehen grundsätzlich und verpflichtend bei Wiederbelebungsmaßnahmen drei Schritte vor: in erster Linie die Herzdruckmassage, dann die Anwendung eines Defibrillators (AED) – und die Beatmung.
BG empfiehlt Anschaffung von Beatmungsmasken
Als Lösung in Corona-Zeiten schlägt die Berufsgenossenschaft vor, in Rücksprache mit dem Betriebsarzt zusätzliche Beatmungsmasken vorzuhalten und die offiziell bestimmten Betrieblichen Ersthelfer in deren Nutzung zu unterweisen. Ersthelfern wird aber in den ersten Sekunden einer Notfallsituation zugebilligt, eigenständig zu entscheiden. So schreibt die BGHW in einer Empfehlung zur Ersten Hilfe im Betrieb: „Es liegt im Ermessen der handelnden Personen im Rahmen der Reanimation auf die Beatmung notfalls zu verzichten, bis gegebenenfalls eine geeignete Beatmungshilfe zur Verfügung steht.“
Gefahrlose Erste Hilfe: Unfallstelle absichern, Notruf absetzen
Abgesehen davon, dass jeder als Mensch helfen sollte und weil er diese Hilfe umgekehrt auch erwarten würde, sind aber auch rechtliche Aspekte zu beachten. Wer keine Hilfe leistet, macht sich strafbar. Nach Paragraf 323c des Strafgesetzbuchs (StGB) droht eine Geld- oder sogar Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr. Im StGB heißt es aber auch: Niemand muss sich selbst in „erhebliche eigene Gefahr“ bringen. Deshalb sind das Absichern einer Unfallstelle und das Absetzen des Notrufs auch in Corona-Zeiten für jedermann zumutbar.
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