
In der Coronakrise kaufen noch mehr Kunden Medikamente bei Versandapotheken als bisher. – Foto: Birgit Reitz-Hofmann
Versandapotheken im Internet beraten ihre Patienten offenbar nicht immer adäquat über die Neben- und Wechselwirkungen der von ihnen bestellten rezeptfreien Medikamente. Das ist das Ergebnis einer stichprobenartigen Testaktion des Verbrauchermagazins „SUPER.MARKT“, das der Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) ausstrahlt.
Beim Versuch, zwei Medikamente zu bestellen, die wegen Wechselwirkungen zwingend mit zeitlichem Abstand eingenommen werden müssen, beriet nur eine Online-Apotheke medizinisch exakt. Andere telefonische Berater gaben erst nach mehrmaliger Nachfrage eine annähernd richtige Information. Auf einer Internet-Seite wurde dem Kunden sogar suggeriert, es gebe keine Wechselwirkungen.
Test-Bestellung: Keine Warnung vor Wechselwirkungen
Im vorliegenden Fall bestellten die Tester Schmerzmittel mit den Wirkstoffen Acetylsalicylsäure (ASS) und Ibuprofen. Die bestellten Medikamente ASS und Ibuprofen hätten untereinander Wechselwirkungen, darüber müsse informiert werden, sagt Daniela Hubloher von der Verbraucherzentrale Hessen. Die Medizinerin, der die rbb-Recherchen zur Beurteilung vorgelegt wurden, sieht die Beratungsergebnisse kritisch und sagt: „Im schlimmsten Fall könnte es dadurch zu einem Herzinfarkt oder Schlaganfall kommen."
Kundentelefon: Nummer oft im Impressum versteckt
Online-Apotheken sind laut Gesetz verpflichtet, genauso umfassend zu beraten wie die Apotheke vor Ort. Für wichtige Hinweise ist ein telefonischer Kundenkontakt sogar Pflicht. Doch die Telefonnummern waren bei fast allen Anbietern nur versteckt im Impressum der Seiten zu finden, ergaben die Recherchen des rbb.
Verbrauchertrick, um Medikamente günstiger zu bekommen
Einen Trick für Verbraucher, um günstigere Preise zu erzielen, gab es im rbb-Verbrauchermagazin auch. Wer vorhat, sofort zu bestellen, und dafür bei einer Online-Apotheke anruft, für den kann es sich lohnen, in der Beratung nach einem preiswerteren Medikament zu fragen als dem, das vorgeschlagen wurde. Beim teuersten Anbieter bekam die Testerin nach mehrmaliger Nachfrage die Tabletten schließlich um mehr als die Hälfte billiger.
Deutschland: 150 aktive Versandapotheken
In Deutschland zulässig ist Arzneimittelversandhandel seit 2004. Mit der Neufassung des Arzneimittel- sowie des Apothekengesetzes (AMG/ApoG) wurde es Apotheken ermöglicht, apothekenpflichtige und verschreibungspflichtige Medikamente bundesweit zu versenden. Rund 3.000 der etwa 19.000 Vor-Ort-Apotheken in Deutschland verfügen derzeit über eine behördliche Erlaubnis für den Versand von Arzneimitteln. Rund 150 davon können als aktive Versandapotheken bezeichnet werden: Sie besitzen einen echten Webshop und eine Listung in Preissuchmaschinen. In anderen europäischen Ländern sind Versandapotheken schon länger aktiv. Zu den bekanntesten gehört die im Jahr 2000 gegründete niederländische Versandapotheke „DocMorris“, die über das Internet Arzneimittel vorwiegend an Kunden in Deutschland liefert.
Versandapotheken profitieren von Corona-Krise
Nach Erkenntnissen von Marktexperten profitieren Versandapotheken von der Corona-Krise, in der ein Großteil der Bevölkerung das Haus viel seltener verlässt. Der ohnehin wachsende Versandhandel mit Medikamenten habe demnach in jüngster Zeit noch einmal deutlich zugelegt, heißt es in einem Bericht der „Ärztezeitung“. Bei den nicht-rezeptpflichtigen Medikamenten konnten die Versandapotheken ihren Marktanteil demnach auf etwa 20 Prozent ausbauen (Stand: Oktober 2020).
Während des ersten Corona-Lockdowns im Frühjahr vergangenen Jahres führten Hamsterkäufe verunsicherter Verbraucher zunächst bei beiden Apothekentypen – den Vor-Ort- wie bei den Versandapotheken – zu deutlichen Umsatzsteigerungen. Im Anschluss daran sei die Nachfrage bei den Vor-Ort-Apothekern aber deutlich eingebrochen, während sie im Versandhandel weitgehend stabil geblieben sei.