Schlaganfall bei Kindern: kognitive Folgen hängen vom Alter ab

In Deutschland erleiden jedes Jahr mehrere Hundert Kinder einen Schlaganfall. Die Folgen können gravierend sein – Foto: © Adobe Stock/ siam
Ein Schlaganfall trifft nicht nur Erwachsene. Auch Kinder und Jugendliche können davon betroffen sein. Das passiert zwar selten, aber immerhin zählt der Schlaganfall weltweit zu den zehn häufigsten Todesursachen im Kindesalter. Bei 70 bis 80 Prozent der Kinder bleiben neurologische und kognitive Langzeitfolgen.
Plastizität des Gehirns hat Grenzen
Die «Plastizitätstheorie» geht davon aus, dass sich das kindliche Gehirn besonders gut von einer Schädigung erholen kann, da es plastischer ist als das erwachsene Gehirn und sich daher besser an die Folgen einer Hirnläsion anpassen kann. Diese Annahme wird in der Wissenschaft jedoch zunehmend hinterfragt. Und auch neueste Daten aus der Schweiz widerlegen diese Annahme.
In einer Studie untersuchte das Team um Prof. Regula Everts vom Universitätsspital Bern die Langzeitfolgen von Schlaganfällen bei Neugeborenen, Kleinkindern und Schulkindern. Die Daten zeigen, dass der Zeitpunkt des Schlaganfalls entscheidend ist, wie gut sich das Gehirn anschließend erholt. Die kritischste Zeit liegt demnach zwischen dem ersten Lebensmonat und dem fünften Lebensjahr.
Die ersten fünf Lebensjahre sind die kritischsten
Kinder und Jugendliche mit einem Schlaganfall in diesen ersten Lebensjahren zeigten deutlich schlechtere kognitive Fähigkeiten. Ein Schlaganfall im Neugeborenenalter, 0 bis 28 Tage nach der Geburt, und im Alter zwischen 6 und 16 Jahren war hingegen mit weniger gravierenden kognitiven Langzeitfolgen verbunden.
„Unsere Daten zeigen, dass die frühe Kindheit - ein Monat bis fünf Jahre - eine ganz besonders vulnerable Phase für die kognitive Entwicklung ist“, sagt Regula Everts. „Ein Schlaganfall im frühen Kindesalter ist somit laut unseren Daten unabhängig von der Größe und Lokalisation der Hirnläsion ein Faktor, welcher die kognitiven Fähigkeiten im Schulalter nachhaltig negativ beeinflusst.“
Während der letzten Dekaden zeigten immer mehr Forschungsergebnisse, dass das kindliche Gehirn in gewissen Phasen der Entwicklung vulnerabler ist. Die jetzt vorgelegten Daten untermauern das. Und widersprechen somit der Plastizitätstheorie.
Kaum Studien zu Akuttherapien bei Kindern
Auch bei Kleinkindern sollte eine optimale Therapie schon in den ersten Stunden nach dem Schlaganfall durchgeführt werden, sagt Everts. In dieser Altersgruppe würden hyperakute Rekanalisationstherapien wie die Thrombektomie jedoch noch sehr zögerlich angewendet, weil es kaum wissenschaftliche Evidenz dazu gibt. „Trotz der Seltenheit des kindlichen Schlaganfalles sollten Studien, welche die Wirksamkeit solcher Therapien im frühen Kindesalter analysieren, dringend durchgeführt und unterstützt werden“, fordert die Wissenschaftlerin. Ebenso zeigten die Studienergebnisse die Bedeutung der neuropsychologische Nachsorge für Kinder unmittelbar nach einem Schlaganfall.