SARS-CoV-2: Wer soll zuerst geimpft werden?

Senioren, medizinisches Personal, wichtige Personen des öffentlichen Lebens - so soll die Reihenfolge der gegen SARS-CoV-2 zu impfenden Menschen aussehen.
Die derzeitigen Nachrichten machen Hoffnung: Bereits Anfang nächsten Jahres könnte der erste Corona-Impfstoff verfügbar sein. Doch die vorhandenen Impfdosen werden zunächst nicht für die gesamte Bevölkerung ausreichen. Es stellt sich also die Frage, wer zuerst geimpft werden soll. Nun haben die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert-Koch-Institut (RKI), die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina und der Deutsche Ethikrat ein Positionspapier zur Priorisierung der COVID-19-Impfstoffe vorgelegt. In die Überlegungen eingebunden wurden ethische, aber auch medizinische und rechtliche Gesichtspunkte.
Medizinische Grundlagen noch nicht ganz geklärt
Derzeit fehlen laut der Experten noch entscheidende Ergebnisse aus den laufenden klinischen Studien zu den Eigenschaften der Impfstoffe gegen SARS-CoV-2. Dies habe zur Folge, dass eine detaillierte Empfehlung zu den aus medizinischer Sicht vorrangig zu impfenden Personengruppen jetzt noch nicht möglich sei. Bereits jetzt aber stehen die ethischen und rechtlichen Prinzipien fest, nach denen eine Priorisierung zu erfolgen hat, so die Experten: Neben der Selbstbestimmung seien dies die Nichtschädigung beziehungsweise der Integritätsschutz, die Gerechtigkeit, die grundsätzliche Rechtsgleichheit, die Solidarität sowie die Dringlichkeit.
Diese ethischen und rechtlichen Prinzipien sollen sich in konkreten Impfzielen niederschlagen: Verhinderung schwerer COVID-19-Verläufe (Hospitalisation) und Todesfälle; Schutz von Personen mit besonders hohem arbeitsbedingten SARS-CoV-2-Expositionsrisiko (berufliche Indikation); Verhinderung von Transmission sowie Schutz in Umgebungen mit hohem Anteil vulnerabler Personen und in solchen mit hohem Ausbruchspotential; Aufrechterhaltung staatlicher Funktionen und des öffentlichen Lebens.
Ältere Menschen sollen zuerst geimpft werden
Demzufolge sind laut der Empfehlungen zuerst diejenigen zu impfen, die bei einer Erkrankung an COVID-19 das höchste Risiko für Tod und schwere Erkrankung haben. Dies werden vor allem Menschen im höheren Lebensalter sein. Aber auch unabhängig vom Alter könnten einige Vorerkrankungen das Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf deutlich erhöhen, so dass auch chronisch Erkrankte zu den als erstes zu impfenden Personen gehören würden.
Eine zweite zu priorisierende Gruppe sind nach Ansicht der Experten diejenigen, die an COVID-19 Erkrankte versorgen und sich dabei selbst einem erhöhten Risiko aussetzen, also Mitarbeitende im medizinischen und pflegerischen Bereich. Personen, die für das Gemeinwesen besonders relevante Funktionen erfüllen und nicht ohne Probleme ersetzbar sind, sollen dem Papier zufolge zu einer dritten zu priorisierenden Gruppe gehören.
Verfassungsrechtliche Grundlage klären
Neben medizinischen und ethischen Fragen ist aber auch die rechtliche Seite nicht ganz unproblematisch. „Wenn ein wichtiges, vielleicht lebensrettendes Gut knapp ist, bedeutet eine Priorisierung notwendigerweise die Verweigerung der Zuteilung gegenüber denjenigen, die hintenangestellt werden“, erläuterte Wolfram Henn, der als Mitglied des Deutschen Ethikrates an der Erstellung des Papiers mitarbeitete, gegenüber dem „Deutschen Ärzteblatt“.
Dies könne einen derart tiefen Eingriff in Grundrechte, insbesondere dasjenige auf körperliche Unversehrtheit, darstellen, dass eine entsprechende Regelung einer verfassungsrechtlich sauberen Legitimation bedürfe. „Deshalb ist aus unserer Sicht hier das Parlament gefragt, was auch der Transparenz und Akzeptanz des Verfahrens in der Öffentlichkeit zuträglich ist.“
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