Rückenschmerzen: Ordnen Ärzte Röntgenbefunde richtig ein, brauchen Patienten weniger Schmerzmittel

Mehr Information zum Röntgenbild hilft den Rückenschmerzpatienten – Foto: ©Syda Productions - stock.adobe.com
Bei Patienten mit Rückenschmerzen zeigt die Röntgen-Diagnostik der Wirbelsäule relativ häufig auffällige Befunde, die meist nichts mit den Beschwerden der Patienten zu tun haben. Solche Zufallsbefunde - meist altersbedingte, degenerative Abnutzungen - findet man auch bei beschwerdefreien Menschen.
Wie wichtig diese relativierende Information ist, zeigte nun eine US-amerikanische Studie: Die informierten Patienten benötigten weniger Opioide, also Schmerzmittel. Das meldet die Deutsche Gesellschaft für Neuologie (DGN).
Befundberichte mit zusätzlichen Hinweisen
Die Studie screente 250.401 erwachsene Teilnehmer mit Rückenschmerzen, die von insgesamt 3.278 Ärzten behandelt wurden. Circa 80 Prozenten der Patienten erhielten eine konventionelle Röntgenaufnahme, 20 Prozent ein MRT und 0,4 Prozent ein CT. Alle hatten im vorangegangenen Jahr keine entsprechende Diagnostik erhalten.
238.886 Teilnehmer (44,2 Prozent älter als 60 Jahre, 57,5 Prozent Frauen) wurden in zwei Gruppen randomisiert: Für die Patienten der Kontrollgruppe wurden herkömmliche radiologische Befundberichte erstellt. In der Interventionsgruppe beinhalteten die Befundberichte zusätzlich Hinweise zur Prävalenz solcher Abnutzungserscheinungen und altersbedingten Wirbelsäulenanomalien bei gleichaltrigen Menschen ohne Rückenbeschwerden.
Rückenschmerzen: Ordnen Ärzte auffällige Röntgenbefunde richtig ein, brauchen Patienten weniger Schmerzmittel
Im Ergebnis war in der Interventionsgruppe insgesamt kein Rückgang der Arztbesuche zu verzeichnen. Über 365 Tage lag der Wert bei den Kontrollen im Schnitt bei 3,56, in der Interventionsgruppe bei 3,53. Bei Patienten der Interventionsgruppe waren aber weniger opiathaltige Schmerzmittel rezeptiert worden als in der Kontrollgruppe, der Unterschied war nicht groß, aber statistisch signifikant (36,2 Prozent vs. 37 Prozent).
Betrachtete man nur die Patienten, die vor der bildgebenden Untersuchung keine Opioide benötigt hatten, war der Unterschied deutlich größer: Im Zeitraum von 12 Monaten wurden 25 Prozent der Patienten, denen die Bildgebung erklärt und die Befunde relativiert worden waren, Opioide verschrieben, in der Kontrollgruppe erhielten 75 Prozent Opioide - also dreimal so viele. Bei Rückenschmerzen gilt also: Ordnen die Ärzte auffällige Röntgenbefunde richtig ein, brauchen die Patienten weniger Schmerzmittel
Patienten sind entspannter, wirkt sich auf Psyche aus
"Schmerztherapeutisch ist das gut nachvollziehbar", erklärt Prof. Hans-Christoph Diener, Essen, Pressesprecher der DGN. "Patienten, die wissen, dass eine bestimmte in der Bildgebung sichtbare Abnutzungserscheinung allgemein häufig ist und nicht in einem kausalen Zusammenhang mit dem Schmerz stehen oder gar gefährlich sind, sind entspannter, was sich dann wiederum positiv auf das Schmerzempfinden und die Psyche auswirkt. Daher ist die Patientenedukation bereits eine wesentliche Säule der multimodalen Therapie bei Patienten mit chronischen Schmerzen. Denn Wissen hilft gegen Schmerzen."
Auch in Europa zu viele Opioide verschrieben
"Interessant sind diese Daten auch vor dem Hintergrund der sogenannten Opioid-Epidemie in den USA. In den USA werden bei Rückenschmerzen viel häufiger Opioide verschrieben als in Europa. Doch auch in Europa werden zu viele Opioide verschrieben, wie 2019 ein Bericht der OECD zeigte," kommentiert Prof. Peter Berlit, Generalsekretär der DGN. "Ärzte sollten hier also gegensteuern."
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