
Immer noch haben zu wenige Deutsche eine Patientenverfügung ausgefüllt – Foto: ©Stockfotos-MG - stock.adobe.com
Bei 70 Prozent der Todesfälle auf einer Intensivstation geht ein Behandlungsverzicht oder eine Therapielimitierung voran. „Lebenserhaltende Maßnahmen werden also bewusst beendet, begrenzt oder gar nicht erst begonnen“, sagt Professor Uwe Janssens, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin und Internistische Intensivmedizin am St. Antonius-Hospital Eschweiler und Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN). Gerade weil die Medizin immer mehr Möglichkeiten hervorbringt, todkranke Menschen am Leben zu erhalten, kommt Patientenverfügungen, in denen der Patientenwille festgehalten wird, eine immer größere Bedeutung zu.
Bei Patientenverfügungen den Rat von Fachkräften suchen
Alle intensivmedizinischen Entscheidungen basieren auf dem Patientenwillen, der jeweils individuell ermittelt werden muss. Im Idealfall ist der Patient selbst noch in der Lage, in eine Behandlung einzuwilligen oder sie abzulehnen. Ist dies nicht der Fall, kommt der Patientenverfügung eine wichtige Rolle zu. Am besten liegt sie als individuell ausformuliertes Dokument vor, das möglichst viele Behandlungssituationen abdeckt.
Weit weniger aussagekräftig sind vorgefertigte Formulare aus dem Internet, die nur angekreuzt werden müssen, so die DGIIN. „Hier besteht die Gefahr, dass dem Patienten nicht alle Konsequenzen seiner Wünsche wirklich bewusst sind“, betont Janssens. Doch selbst eine individuelle und ausführliche Verfügung lasse sich nicht immer auf die aktuelle Situation anwenden – zu vielfältig seien die gesundheitlichen Voraussetzungen und die sich daraus ergebenden intensivmedizinischen Möglichkeiten. „Bei der Erstellung einer Patientenverfügung ist es sinnvoll, sich vom Arzt oder anderen fachkundigen Personen beraten zu lassen. Auch wenn eine Patientenverfügung nicht alle möglichen Behandlungsfälle abdecken kann, sollte sie dennoch vorliegen, da sie eine wichtige Grundlage bei der Ermittlung des Patientenwillen bietet“, sagt Janssens.
Individuelle Situation muss berücksichtigt werden
Liegt keine Patientenverfügung vor und ist der Patient selbst nicht mehr entscheidungsfähig, wird ein Bevollmächtigter oder Betreuer in die Entscheidungsfindung mit einbezogen. Diese können vorher vom Patienten für solche Fälle bestimmt werden. Wurde dieser Fall nicht geregelt, muss eine Betreuung beantragt werden. Auch Gespräche mit den Angehörigen können Aufschluss über den mutmaßlichen Patientenwillen geben.
Der Patientenwille ist dabei nicht als starr anzusehen, sondern muss immer neu auf die aktuelle medizinische Situation bezogen werden. Die medizinische Situation bildet neben der Patientenverfügung also die zweite wichtige Entscheidungsgrundlage. „Besteht keine Aussicht auf eine grundlegende Besserung des Gesundheitszustands oder den Erhalt der Lebensqualität, oder stünde eine Weiterbehandlung klar im Widerspruch zum Patientenwillen, dann muss das Therapieziel der Heilung verlassen werden“, so Janssens.
Das bedeutet jedoch keinesfalls, dass sich um den Patienten nicht mehr intensiv gekümmert würde. „Sollte das Therapieziel hin zu einer palliativen Behandlung geändert werden, erhält der Patient selbstverständlich weiterhin die für ihn optimale Therapie“, betont auch Janssens. Das könne beispielsweise die Linderung von Schmerzen oder anderen belastenden Symptomen wie Atemnot oder Mundtrockenheit sein.
Immer noch zu wenige Patientenverfügungen in Deutschland
Obwohl die meisten Menschen in Deutschland wissen, wie wichtig eine Patientenverfügung ist, schieben viele die Beschäftigung mit dem Thema vor sich her. So konnte eine Studie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) zeigen, dass immer noch nur rund die Hälfte der Patienten, die auf einer Intensivstation liegen, eine Patientenverfügung oder eine Vorsorgevollmacht haben.
Mit einer Patientenverfügung wird der Patientenwille in Bezug auf seine Behandlung festgelegt – für den Fall, dass der Betroffene selbst nicht mehr entscheidungsfähig ist oder sich nicht mehr äußern kann. Ebenfalls wichtig ist eine Vorsorgevollmacht. Sie beauftragt eine Vertrauensperson, die im Bedarfsfall die Rechtsgeschäfte des Patienten erledigen darf.
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