Neuropathien frühzeitig verhindern

Ständiges Kribbeln in den Beinen kann auf eine Neuropathie hindeuten – Foto: ©britta60 - stock.adobe.com
Neuropathische Schmerzen bzw. Missempfindungen sind für die Betroffenen ausgesprochen quälend. Dauern die Beschwerden mehrere Monate an, werden sie als chronisch bezeichnet. Sie sind dann nur sehr schwer zu behandeln. Es gibt zwar einige Medikamente für das Krankheitsbild, doch die Wirkstoffe haben oft schwere Nebenwirkungen. Forscher von der Translationalen Medizin und Pharmakologie TMP des Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie IME haben nun einen Weg gefunden, die Entwicklung von Neuropathien frühzeitig zu unterbinden.
Neuropathien beeinträchtigen Lebensqualität deutlich
Etwa fünf Millionen Menschen in Deutschland leiden an neuropathischen Schmerzen. Sie entstehen durch Schädigungen des peripheren oder zentralen Nervensystems. Die Ursachen sind vielfältig: Oftmals treten die Missempfindungen nach Operationen oder Unfällen auf, etwa wenn das Rückenmark verletzt ist.
Typisch bei neuropathischen Schmerzen ist eine Veränderung der Hautsensibilität. Reize wie Kälte, Hitze oder Berührungen werden stärker oder kaum empfunden. Auch ein ständiges Kribbeln oder Brennen treten häufig auf. Problematisch wird es, wenn der Schmerz sich verselbständigt und chronisch wird. Die Lebensqualität der Betroffenen ist dann erheblich beeinträchtigt.
Lipide signalisieren Verletzung an den Nervenzellen
Forscher des Fraunhofer IME in Frankfurt haben sich daher zum Ziel gesetzt, die Entwicklung von neuropathischen, Trauma-induzierten Schmerzen nach Operationen oder Unfällen so früh wie möglich zu unterbinden. Denn sind die neuropathischen Schmerzen erst einmal entstanden, wirken Therapien nur noch eingeschränkt. Hinzu kommt, dass die entsprechenden Medikamente starke Nebenwirkungen haben.
In Experimenten konnten die Wissenschaftler nachweisen, dass verschiedene Lipide, die als Signalmoleküle bei Verletzungen freigesetzt werden, die Entzündungsreaktionen an den beschädigten Nerven steuern. „Die Nerven schlagen Alarm und setzen Lipide frei, um dem Immunsystem zu signalisieren, dass eine Verletzung vorliegt und die Ursache beseitigt werden muss“, erklärt Prof. Dr. Klaus Scholich, Gruppenleiter Biomedizinische Analytik und Imaging am Fraunhofer IME.
Ibuprofen und Diclofenac können chronischer Entzündung vorbeugen
„Bei neuropathischen Schmerzen werden die angelockten Immunzellen nach einiger Zeit zum Feind. Sie interagieren derart mit den Nerven, dass die betroffenen Areale permanent entzündet sind“, so der Forscher weiter. „Die Nervenschmerzen können nicht mehr abflauen, sie werden chronisch. Indem wir Signalwege unterbrechen, die Immunzellen anlocken, können wir die Schmerzen deutlich verringern.“
Möglich ist dies beispielsweise durch den rechtzeitigen Einsatz von Schmerzmitteln wie Ibuprofen und Diclofenac. Frühzeitig verabreicht, können diese Medikamente die Herstellung des Lipids Prostaglandin E2 stoppen, das eine entscheidende Rolle bei Trauma-induzierten Schmerzen spielt, da es sowohl die Nerven sensibilisiert als auch das Immunsystem aktiviert.
Einsatz von Antikörpern möglich
Darüber hinaus bindet Prostaglandin E2 den Rezeptor EP3. Neuronen, die diesen Rezeptor aufweisen, setzen das Signalmolekül CCL2 frei. Dieses fördert wiederum die Schmerzentwicklung entscheidend, da es immer neue Immunzellen zu den verletzten Nerven lockt und auch selbst die Schmerzwahrnehmung verstärkt, wie die IME-Forscher in ihren Untersuchungen herausfanden. „Wir konnten die nachgeschalteten Mechanismen aufklären, die über Entzündungsreaktionen die Entstehung neuropathischer Schmerzen begünstigen“, so Scholich.
Der Rezeptor EP3 erkennt demnach das Prostaglandin E2. Wenn man nun den EP3 ausschaltet und somit die CCL2-Freisetzung hemmt, kann man die Schmerzentstehung nach Angaben der Autoren deutlich verringern. Das CCL2 ließe sich mit therapeutischen, spezifischen Antikörpern abfangen. Diese Antikörper könnten bei chronischen Schmerzen zum Einsatz kommen, wenn herkömmliche Arzneimittel wie Ibuprofen nicht mehr wirken.
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