Neue Studie zeigt mangelhafte Versorgung von Patienten mit PAVK

Nicht einmal jeder fünfte PAVK-Patient sucht einen Gefäßspezialisten auf – Foto: © Adobe Stock/ Africa Studio
Deutschlands Gesundheitssystem gilt als eines der besten der Welt. In der ambulanten Versorgung von Patienten mit peripherer arterieller Verschlusskrankheit (PAVK) scheint aber noch Luft nach oben zu sein. Eine neue Studie zeigt nun, dass Betroffene mit der „Schaufensterkrankheit“ nicht leitliniengerecht behandelt und zu selten an Spezialisten überwiesen werden. Für die Studie hatten Gefäßmediziner vom Universitätsklinikum Essen Daten aller gesetzlich versicherten Patienten über einen Zeitraum von 2009 bis 2018 analysiert. Über 70 Millionen Patientendaten pro Jahr wurden für die Studie ausgewertet.
Beunruhigende Ergebnisse
„Unsere Ergebnisse sind beunruhigend", erläutert Studienautor Prof. Christos Rammos, "vor allem für ein Land wie Deutschland, das ein hoch entwickeltes Gesundheitssystem hat." Der Oberarzt an der Klinik für Kardiologie und Angiologie am Universitätsklinikum Essen bewertet die aktuelle Behandlungssituation der Patienten als schlecht. „Patienten mit PAVK sind in Deutschland unterversorgt“, sagt er und kritisiert, dass Disease-Management-Programme fehlten, die es beispielsweise für Diabetes gibt.
Zahl der PAVK-Patienten steigt seit Jahren
Der Studie zufolge stieg der Anteil der PAVK-Patienten im Analysezeitraum von 1,85 auf 3,14 Prozent. Somit litten im Jahr 2018 2,27 Millionen Personen in Deutschland an einer PAVK. Die Studienautoren gehen jedoch von einer erheblichen Dunkelziffer aus, da die Erkrankung häufig nicht erkannt wird.
Nur wenige PAVK-Patienten suchten jedoch einen Facharzt auf, also einen Angiologen oder Gefäßchirurgen, nämlich gerade mal 19 Prozent. Die Mehrheit (57 %) wurde von einem Internisten betreut. Dies Zahlen beziehen sich auf das Jahr 2018, waren aber seit 2009 mehr oder weniger konstant.
Nur jeder zweite Patient bekommt die nötigen Medikamente
Dies hatte offenbar Auswirkungen auf die Qualität der Behandlung: So bekamen die Patienten viel zu selten Medikamente verschrieben, die in den Leitlinien dringend empfohlen werden. „In der Studie stellten wir zwar eine steigende, aber immer noch unzureichende Verschreibungshäufigkeit mit Statinen und Plättchenhemmern bei PAVK fest“, erläutert Gefäßspezialist Rammos. Nur etwa die Hälfte der Patienten habe diese Medikamente bekommen. „Obwohl der Nutzen von Medikamenten wie Statine und Plättchenhemmer bei PAVK sehr gut belegt ist.“
Rezepte werden nicht immer eingelöst
Eine parallele Analyse des Universitätsklinikum Münster zeigte obendrein, dass die Rezepte oftmals nicht eingelöst wurden. Hierfür zog das Team aus Münster Daten der der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe heran. „Unsere Analyse zeigt, dass die Rate der eingelösten Rezepte als Indikator für die Einnahme der beiden Medikamente sogar deutlich unter der Verschreibungsrate liegt", betont PD Dr. Nasser Malyar. Von den rund 240.000 PAVK-Patienten erhielten demnach weniger als ein Drittel jeweils ein Statin und einen Plättchenhemmer und fast die Hälfte aller PAVK-Patienten erhielt keine der beiden Substanzen. "Im Kern zeigen die Studien, dass die notwendigen Medikamente bei PAVK-Patienten zu wenig verschrieben und sogar noch weniger eingenommen werden, als es nötig ist“, fasst Maylar die Ergebnisse beider Studien zusammen.
Die Gefäßmediziner hoffen, dass die Studien ein Weckruf für Ärzte, Politik und Patienten sind. „Die PAVK kennzeichnet eine Hochrisiko-Situation, weil mit ihr auch ein hohes Risiko für Komorbiditäten und insbesondere für einen Herzinfarkt und Schlaganfall und damit eine hohe Sterblichkeit verbunden ist“, sagt Prof. Rammos. Betroffene sollten die Krankheit nicht unterschätzen und sich zeitnah an einen Gefäßspezialisten wenden.