Neue Erkenntnisse zu Covid-Folgen: Kognitive Defizite bessern sich nach ein paar Monaten

Covid-19 und Gedächtnisstörungen: Forscher finden messbare Ursache im Gehirnstoffwechsel. Doch die kognitiven Defizite sind offenbar reversibel
Covid-19 ist eine Krankheit mit vielen Gesichtern. Neben Schlaganfällen können auch weitere neurologische Komplikationen wie Fatigue oder Gedächtnisstörungen auftreten. Inzwischen weiß man, dass auch Patienten mit milderen Verläufen oft noch lange unter solchen neurokognitiven Folgen leiden. Man spricht deshalb auch von Long-Covid oder Neuro-Covid.
Neuro-Wissenschaftler der Universitätsklinik Freiburg haben nun 29 Patienten untersucht, bei denen während einer Covid-Infektion erstmals neurokognitive Defizite aufgetreten waren, etwa ein gestörter Geruchs- oder Geschmackssinn, Gedächtnisstörungen, Einschränkungen in der Visuokonstruktion (visuelles Erfassen von Mustern) oder der Exekutivfunktion (Verhaltenskontrolle). Alle Patienten waren wegen Covid-19 stationär im Klinikum behandelt worden – hatten also etwas schwerere Verläufe, waren aber nicht neurologisch vorerkrankt.
Verminderter Hirnstoffwechsel nachgewiesen
Bei Patienten mit mindestens zwei neu aufgetretenen neurologischen Symptomen wurden in der subakuten Phase (unmittelbar nach abgeklungener Infektiosität) umfassende neuropsychologische Tests, eine zerebrale Kernspintomographie und eine 18FDG-PET durchgeführt. Die 18F-Fluordesoxyglucose-Positronenemmissions-Tomografie ist ein Bildgebungsverfahren, das etwa in der Demenz-Diagnostik eingesetzt wird und den Hirnstoffwechsel misst. Dabei zeigte sich bei 10 von 15 Probanden eine Verminderung des Glukosestoffwechsels im Gehirn, die exakt zu den neurokognitiven Defiziten passt.
„Bei einem Großteil von Patienten, die wegen einer akuten COVID-19-Erkrankung stationär behandelt werden mussten, konnten in der subakuten Phase definierte kognitive Beeinträchtigungen festgestellt werden“, fasst Studienleiter PD Dr. Jonas Hosp die zentralen Ergebnisse der Studie zusammen. „Die Befunde passen zu dem im 18FDG-PET sichtbar verminderten Glukosestoffwechsel, das heißt einer regionalen Leistungseinschränkung in den entsprechenden Bezirken der Großhirnrinde.“
Gedächtnisstörungen haben messbare Ursache
Untersuchungen von postmortalen Gewebeproben einer verstorbenen Patientin zeigten zudem eine deutliche Aktivierung von Mikroglia-Zellen - das sind immunaktive Zellen im Nervensystem - vor allem in der weißen Substanz, wohingegen die kortikale graue Substanz relativ wenig betroffen war.
„Diese Befunde belegen, dass neurokognitive Probleme nach einer COVID-19-Erkrankung eine messbare Ursache haben“, sagt Prof. Peter Berlit, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie.
Kognitive Symptomatik reversibel
Die messbare Ursache samt ihrer Symptomatik besserte sich jedoch im Laufe der Zeit, wie ein Follow-up mit acht Patienten aus der ersten Studie ergab. So normalisierten sich sechs Monate nach der Akuterkrankung sowohl der Hirnstoffwechsel als auch die neurokognitiven Defizite weitgehend. Die Forscher sehen dadurch bestätigt, dass die neurokognitiven Beeinträchtigungen mit dem Grad der Verminderung des Glukosemetabolismus korrelieren, so dass dieser als Biomarker ür kognitive Post-COVID-Symptome herangezogen werden könnte. „Als erfreuliches Ergebnis lässt sich festhalten: die kognitiven Einschränkungen sind per se reversibel“, sagt Dr. Hosp. Allerdings müsse einschränkend gesagt werden, dass einige Betroffenen auch sechs Monate nach der Akuterkrankung noch kein Normalniveau erreicht hatten. „Die vollständige Wiederherstellung der Gesundheit scheint also in einigen Fällen langwierig zu sein.“
Die Studie “Slow but evident recovery from neocortical dysfunction and cognitive impairment in a series of chronic COVID-19 patients” ist im März im Journal of Nuclear Medicine erschienen.