Nach dem Lockdown: Was jetzt im Fitness-Studio geht und was nicht

Sportbiologe Prof. Dr. Henning Wackerhage von der TU München: Gut trainierte Sportler können zur sprichwörtlichen Virenschleuder werden
Viele Menschen in einem geschlossenen Raum, das ist nach aktuellen Erkenntnissen das größte Risiko, sich mit dem Coronavirus zu infizieren. Beispiele sind die Kappensitzung in Heinsberg, die Après-Ski-Kneipe in Ischgl, eine Chroprobe in den USA, ein Kirchenevent im Elsass und etliche andere Großveranstaltungen.
Deswegen sind Theater, Kinos und andere Veranstaltungsräume bislang noch geschlossen. Und auch Fußballfans müssen bislang noch draußen bleiben. Fitness-Studios dürfen in einigen Bundesländern allerdings wieder öffnen, zum Beispiel in Rheinland-Pfalz seit dem 27. Mai. Während Epidemiologen die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, jubeln Sportler, dass sie endlich wieder in die Muckibude dürfen.
Henning Wackerhage, Professor für Sportbiologie an der Technischen Universität München (TUM), gehört zu den Befürwortern. Sport habe positive Effekte sowohl in der Prävention als auch in der Therapie, sagt er. Wenn man die Risiken identifizierz und geeignete Maßnahmen erarbeitet, ist die Öffnung von Fitness-Studios aus seiner Sicht vertretbar. Der Sportbiologe hat zusammen mit einer internationalen Arbeitsgruppe einen 5-Punkte-Plan für Fitness-Studios vorgelegt. Hier erläutert der Experte, was Fitness-Fans jetzt tun und lassen sollten.
Sie haben zusammen mit einem Expertengremium Empfehlungen für Fitness-Studios ausgearbeitet. Was empfehlen Sie?
Wackerhage: Wir schlagen einen detaillierten 5-Punkte-Plan vor. Der erste Punkt in unserem Fünf-Punkte-Plan sind Mitarbeiterschulungen. Die müssen die Ansteckungsmöglichkeiten kennen, müssen den Betrieb des Fitnessstudios anpassen, um Tröpfchen-, Aerosol- und Schmierinfektionen zu vermeiden, und sie müssen die Maßnahmen auch mittragen.
Eine weitere Empfehlung ist, die Fitnessstudios gut zu lüften und hochintensive Belastung zu vermeiden. Wenn man Sport treibt, erhöht sich das Atemvolumen von etwa fünf bis zehn Litern pro Minute in der Ruhe auf über 100 Liter pro Minute bei untrainierten Menschen. Sehr gut trainierte Sportler erreichen über 200 Liter pro Minute. Wir wissen nicht genau, wie viel SARS-CoV-2-Viren Infizierte dabei freisetzen, aber man kann sich vorstellen, dass, wenn jemand 150 Liter pro Minute atmet, der quasi zur sprichwörtlichen Virenschleuder wird. Intensive Belastungen im Fitnessstudio sollte man also vermeiden; das sollte man dann eher im Freien machen.
Was ist beim Gerätetraining zu beachten?
Wackerhage: Wenn man beim Krafttraining Geräte gemeinschaftlich benutzt, sollte man nach jeder Benutzung die Hanteln mit einem Desinfiziertuch abwischen, um eine Schmierinfektion zu vermeiden. Idealerweise sollte also eine Person alle Übungen durchführen und dann das Gerät desinfizieren, denn das Virus kann auf Metalloberflächen bis zu einem Tag lang überleben.
Sollte sich jemand infiziert haben, ist eine Nachverfolgung wichtig, das heißt eine Liste, wer wann trainiert hat. Über diese Liste kann dann das Gesundheitsamt sehr schnell feststellen, wer wann mit wem wie lange Kontakt hatte, gefährdete Personen umgehend testen und notfalls in Quarantäne schicken. All diese Maßnahmen würden auch für den Vereinssport funktionieren.
Sind trainierte Personen durch ihre Fitness besser vor einem schweren Verlauf geschützt?
Wackerhage: Fitte und gesunde junge Menschen haben ein geringes Risiko für einen schweren Verlauf von COVID-19, sind aber nicht völlig davor geschützt. Ein gutes Beispiel ist „Patient 1“ des italienischen Covid-19-Ausbruchs, ein 38-jähriger Marathon-Läufer: Der war zwar fit, lag aber trotzdem zwei Wochen auf der Intensivstation.
Es gibt zwar keine eindeutigen Beweise dafür, dass körperliches Training die Häufigkeit akuter Atemwegsinfektionen reduziert, doch es gibt Indizien dafür, dass regelmäßige Aktivität die Schwere von Infektionen vermindert. Erwiesen ist, dass leichtes Training das Immunsystem eher stärkt, während Sportler, die sehr hart trainieren, sich eher häufiger Infekte einfangen. Hartes Training sollte man also nach Möglichkeit unterlassen.
Foto: Andreas Heddergott / TUM