
Multiple Sklerose und Schwangerschaft schließen sich nicht grundsätzlich aus
Früher wurde Frauen, die an Multipler Sklerose (MS) erkrankt waren, oft von einer Schwangerschaft abgeraten. Und auch heute noch ist das Thema Kinderwunsch bei Betroffenen mit vielen Unsicherheiten verbunden. Zwar ist mittlerweile bekannt, dass eine Schwangerschaft keinen negativen Einfluss auf den Verlauf der Erkrankung hat. Dennoch stellen sich bei dem Thema viele Fragen, beispielsweise, ob man sich der Erziehung gewachsen fühlt oder welchen Einfluss spezielle MS-Medikamente auf das Kind haben.
Wie groß der Einfluss der Erkrankung tatsächlich auf die Entscheidung für oder gegen Kinder (bei Frauen und Männern) ist, wurde bisher kaum systematisch untersucht. Italienische Forscher wollten nun durch eine Online-Umfrage Licht ins Dunkel bringen. Der Untersuchung zufolge verzichten MS-Patienten häufiger auf Kinder als andere. Insbesondere, wenn sie schon Kinder haben, entscheiden sich Betroffene häufig, keine weiteren zu bekommen.
Nur sieben Prozent wollen wegen der Diagnose gar keine Kinder
Für ihre Untersuchung stellten die Forscher um Dr. Luigi Lavorgna von der Poliklinik in Neapel Fragebögen auf einem sozialen MS-Netzwerk online. Über 480 MS-Patienten nahmen an der Befragung teil, davon 71 Prozent Frauen. Im Durchschnitt waren die Befragten 41 Jahre alt und hatten die Diagnose MS vor 13 Jahren erhalten. Damit waren die Teilnehmer ein wenig jünger als der Durchschnitt der Betroffenen in Italien; zudem wiesen sie einen etwas höheren Bildungsgrad auf. Dies ergab sich aus einem Vergleich mit einer nationalen Datenbank zur Multiplen Sklerose.
Die Ergebnisse im Einzelnen: Etwa sieben Prozent der MS-Patienten entschieden sich, aufgrund ihrer Krankheit überhaupt keine Kinder zu bekommen. Zwei Drittel wiederum verzichteten, nachdem sie schon ein Kind bekommen hatten, auf weitere Kinder. Allerdings bekamen von denjenigen, die bei der ersten Geburt noch keine MS-Diagnose hatten, etwa zwei Drittel noch weitere Kinder. Das zeigt nach Auffassung der Autoren, dass MS-Patienten nach der Diagnose oft keinen weiteren Kinder mehr wollten.
Schwere der körperlichen Einschränkungen beeinflusst Entscheidung
Wer gar keine Kinder wollte, war in der Regel bei der Diagnose schon etwas älter und zum Zeitpunkt der Umfrage körperlich stärker eingeschränkt und häufiger in einem progredienten Stadium als diejenigen, die Kinder wollten. Möglicherweise habe ein aggressiverer Verlauf der Multiplen Sklerose zu der Entscheidung gegen Kinder beigetragen, so die Wissenschaftler.
Die Umfrage zeigt zudem, dass auch heute noch einigen MS-Patienten von Ärzten und medizinischem Personal nach der Diagnose von einer Elternschaft abgeraten wird: 16 Prozent der Betroffenen, die sich eigentlich Kinder gewünscht hatten, dann aber keine bekamen, erklärten, dass ihnen davon abgeraten wurde. Betroffen waren davon allerdings fast ausschließlich Frauen. Als Begründung wurde unter anderem die Sorge genannt, dass eine Schwangerschaft den MS-Verlauf ungünstig beeinflussen könnte – auch weil die Frauen ihre Medikation hätten absetzen müssen.
Ärzte beraten selten gezielt zum Thema Schwangerschaft
Es zeigte sich auch, dass Ärzte MS-Betroffene nur selten zum Thema Kinderwunsch und Schwangerschaft beraten. Die Neurologen um Lavorgna sehen hier große Defizite. Ärzte sollten mit ihren Patienten lieber darüber reden, wie eine sichere Schwangerschaft bei MS möglich ist, als davon abzuraten, so die Studienautoren.
Frühere Untersuchungen konnten bereits zeigen, dass es während einer Schwangerschaft seltener zu MS-Schüben kommt. Grund dafür sind bestimmte Hormone, die in dieser Zeit vom Körper produziert werden, und schützend wirken. Direkt nach der Geburt steigt die Schubrate hingegen an. Es sollte dann darüber nachgedacht werden, gegebenenfalls mit dem Stillen aufzuhören und schnell wieder mit einer Medikation zu beginnen. Allerdings gibt es Hinweise, dass auch die Hormone beim Stillen den Schubverlauf positiv beeinflussen können.
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