Mit antiviralen Naturstoffen gegen die Grippe?

Pilze können lecker sein. Und giftig. Und antivirale Substanzen enthalten, die als restistenzarmer Arzneistoff gegen Grippe infrage kommen. (Symbolbild) – Foto: AdobeStock/Karim
Die kalte Jahreszeit ist da – und nicht nur Corona-, sondern auch Grippeviren verbreiten sich wieder in rasantem Tempo. Influenza-A- und -B-Viren verursachen schwere, ansteckende Infektionen, die bei Komplikationen sogar tödlich enden können. Den wirksamsten Schutz gegen die sich ständig verändernden Virusstämme bietet die jährliche Impfung. Kommt es jedoch zu einer Infektion, sind bislang in den meisten Ländern, zu denen auch Deutschland zählt, nur zwei Klassen von Medikamenten zugelassen. Wissenschaftler des „Fraunhofer-Instituts für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie“ (IME) in Gießen und des „Loewe-Zentrums für Translationale Biodiversitätsgenomik“ (Loewe-TBG) an der Universität Kassel sehen großes therapeutisches Potenzial in Naturstoffen, um zukünftig Influenzaviren zu hemmen.
Herstellung von Grippeimpfstoffen: Jedes Jahr ein Glücksspiel
Der wirksame Kampf gegen die Influenza per Impfung ist jedes Jahr – bei aller wissenschaftlichen Fundiertheit – in Teilen auch eine Art Glücksspiel. Der Grund dafür: die schnelle Mutationsfähigkeit der Influenzaviren. Sie macht es erforderlich, den Impfstoff jedes Jahr neu anzupassen. Löst jedoch wider Erwarten ein anderer oder neuartiger Virusstamm eine Epidemie oder gar eine Pandemie aus, steht zunächst kein wirksamer Impfstoff zur Verfügung. Weltweit führen die jährlichen Grippeepidemien zu schätzungsweise drei bis fünf Millionen schweren Krankheitsfällen, von denen rund zehn Prozent tödlich ausgehen.
Resistenzbildung bei Viren schmälert Medikamenten-Wirkung
Nicht nur in solch dramatischen Jahren wären neue Medikamente hilfreich, um die Vermehrung der Influenzaviren einzudämmen. Bisher sind zur Therapie in zahlreichen Ländern, darunter auch Deutschland, nur zwei Klassen von chemischen Präparaten zugelassen: M2-Kanalblocker und Neuraminidase-Hemmer. Die sind den nach einer Mitteilung des Loewe-Zentrums aber nur begrenzt wirksam – schließlich haben viele Stämme des Influenzavirus Resistenzen entwickelt, das heißt ihre Empfindlichkeit gegenüber diesen Wirkstoffen verloren.
Grippe: Antivirale Naturstoffe sollen therapeutische Lücke füllen
Diese therapeutische Lücke im Kampf gegen die Gefahren der echten Grippe könnten künftig Arzneistoffe füllen, die aus der Natur stammen. In einem im Fachjournal „Viruses“ veröffentlichten Beitrag geben die Wissenschaftler aus Hessen jetzt einen Überblick über die bisher zugelassenen Medikamente dieser Art und erörtern das therapeutische Potenzial einer breiten Palette an Naturstoffen, die von Mikroben und Tieren gebildet werden und pharmakologisch wirksam sein können – und die für die künftige Entwicklung neuer Grippemedikamente infrage kommen.
Aussichtsreich gegen Influenza: Antivirale Substanzen aus Pilzen
„Zu den aussichtsreichen Naturstoffen zählen Tiergifte, antivirale Substanzen in Pilzen und auch Bakterien, die nicht nur für Antibiotika, sondern auch für Medikamente gegen Viren interessant sind“, sagt Studienleiterin Kornelia Hardes. „Die enorme Vielfalt und strukturelle Komplexität machen Naturstoffe zu einem vielversprechenden Ausgangspunkt für die Erforschung und Identifizierung neuer Verbindungen, die gegen Influenzaviren wirken könnten.“
Medikamente der Zukunft aus dem Gift von Stachelrochen, Spinnen, Schlangen?
Als Leiterin einer Nachwuchsgruppe des Bundesforschungsministeriums im Bereich Infektionsforschung analysiert die Wissenschaftlerin und Apothekerin persönlich natürliche Stoffe aus Pilzen, Bakterien und Insekten, die erfolgversprechend erscheinen, um sie als Medikamente zur Behandlung von Grippeerkrankungen einsetzen zu können. Dazu motiviert habe sie „die Tatsache, dass es keine wirklich effiziente Therapie gegen Grippe gibt“.
Weitere Autoren der jetzt veröffentlichten Expertise erforschen am Loewe-Zentrum TBG auch das pharmazeutische Potenzial weiterer Tiergifte – so etwa von Stachelrochen, Spinnen oder Schlangen. Dies ist ein erklärter Forschungsschwerpunkt des Instituts.