Milieu-Studie: Das sind Deutschlands Impfgegner

Corona verschafft Impfgegnern Auftrieb. Eine gesellschaftliche Gruppe ist besonders laut – Foto: ©elmar gubisch - stock.adobe.com
Demonstrationen gegen die Corona-Schutzmaßnahmen bekommen Zulauf. Rückendeckung gibt es im Netz, wo sich immer mehr selbsternannte Widerstandskämpfer und Experten tummeln. Insbesondere zum Thema Impfen verbreiten sich Halbwahrheiten und Falschaussagen rasant. Abstruse Impftheorien sind zwar kein neues Phänomen, aber Corona scheint wie ein Brandbeschleuniger zu wirken.
Bei der Agentur KOMM.PASSION wollte man deshalb wissen: Wer sind diese Leute, die scheinbar immun gegen Impfungen sind? Dafür hat die Agentur zusammen mit dem Physiker und Neurowissenschaftler Dr. Klaus Holthausen die Sozialen Medien durchforstet. Künstliche Intelligenz half dabei, Impfgegner, die sich auf Social Media bewegen, den klassischen Milieus zuzuordnen.
Impfgegner sind gut vernetzt
Wer also steckt hinter Facebook-Foren wie „Impfkritik“, „Impffrei“, „Nein zum Impfzwang“ oder „Leben ohne Impfung“? „Die Größe dieser Gruppen hält sich teilweise in Grenzen, aber das Interessante ist, dass die sehr gut vernetzt sind – auch zu anderen, neutraleren Gruppen", sagt Agenturchef Prof. Alexander Güttler. "Das bedeutet, dass das, was da diskutiert wird, sich relativ gut durchsetzt."
Der Studie zufolge gibt es in den meisten Milieus - also von der Unterschicht über Arbeitermilieu und bürgerlichem Mittelstand bis hin zur Oberschicht - eine überschaubare Anzahl an Impfgegnern. Der Anteil liegt zwischen drei und acht Prozent. Nur ein Milieu sticht völlig heraus: Es sind die Liberal-Intellektuellen, mit einem Impfgegner-Anteil von 31 Prozent. „Das ist schon deutlich und kann sich eher kaum um einen statistischen Fehler handeln“, meint Güttler. Natürlich bräuchte es jetzt weitere Studien, um das zu verifizieren. „Aber es ist ein Ergebnis, das uns natürlich zu denken gibt, denn das ist die Elite unserer Gesellschaft.“
Liberal-Intellektuelle sprengen die Statistik
Den Liberal-Intellektuellen werden Eigenschaften wie höherer Bildungsgrad, höheres Einkommen, Verantwortung, sozial und ökologisch, kritischer Geist zugeschrieben. Beispielsweise konsumieren sie sehr anspruchsvoll, kaufen etwa ihre Lebensmittel im Biomarkt ein. Ihre gesellschaftliche Verantwortung scheint beim Thema Infektionsschutz jedoch aufzuhören. Güttler erinnert das an George Orwell, der dieses Phänomen „Zwie-Denken“ nannte: „Eine Sache zu sagen und im Grund genommen genau das andere tun und einfach nur an der Oberfläche Verantwortungsbewusstsein zeigen.“ Warum das so ist, konnte die Analyse nicht klären.
Aber das Phänomen lässt sich auch bei dem gesamten Thema der alternativen Fakten beobachten. Viele agieren mittlerweile mit verschiedenen Wahrheiten gleichzeitig. „Wenn das ein Symbol von Zeitgeist und von Eliten wird, dann müssen wir uns über Vertrauensverfall wirklich gar keine Gedanken mehr machen“, sagt Studienleiter Güttler.
Konserative und Arbeiter lassen sich impfen
Doch es gibt laut Studie auch verantwortungsvolle Eliten: Im etablierten, konservativen Milieu ist die Impfgegnerschaft mit einem Anteil von 8,6 Prozent relativ gering ausgeprägt. „Da scheint ein hohes Verantwortungsbewusstsein gegenüber der Gesellschaft zu sein – die impfen sich“, erklärt Kommunikationsexperte Güttler.
Der geringste Anteil an Impfgegnern ist demnach im traditionellen Arbeitermilieu zu finden: Hier haben sich nur 3,4 Prozent den Impfkritikern angeschlossen - zumindest in den sozialen Netzwerken.
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