Lauterbach: „Neue Mutanten könnten Corona-Impfschutz komplett durchbrechen”

Karl Lauterbach, Politiker und Epidemiologe: Mit seinen unbequemen Positionen zur Covid-19-Pandemie hat er sich nicht immer Freunde gemacht – vielleicht, weil man die Wahrheit oft lieber nicht hören möchte. – Foto: Wort & Bild Verlag/Jonas Holthaus
Der Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach gehört zu den Experten, denen im Zuge der Covid-19-Pandemie eine besondere Rolle in der öffentlichen Diskussion zugewachsen ist und die unbeabsichtigt zu einer Art medizinischen Talkshow-Stars avanciert sind. Das mag daran liegen, dass Lauterbach nicht nur Bundestagsabgeordneter ist, sondern auch Arzt und Epidemiologe – und einer derjenigen, die sich in den vergangenen anderthalb Jahren unermüdlich mit der Pandemie beschäftigt haben. Jetzt hat er sich ausführlich zur Lage und den Perspektiven geäußert – in einem ExpertInnen-Podcast des Kundenmagazins „Apotheken Umschau“.
Lauterbach und Corona: Der „Mahner" und „Erklärer"
Viele Medien haben Lauterbach im Konzert der kontroversen Positionen zu Virus und Pandemie eine ganz bestimmte Rolle zugeschrieben: die des „Corona-Mahners" und des „ewigen Erklärers". Schon früh war dem Politiker klar, dass es sich bei Sars-CoV-2 um ein Virus handelt, das sich auf der ganzen Welt verbreiten wird, erklärt Karl Lauterbach in der aktuellen Folge der Podcast-Serie „Klartext Corona“. Und er wagt darin auch einen Ausblick auf den kommenden Herbst.
„Es gab keine Immunität, keine Mittel, das Virus zu stoppen"
Bereits im Februar 2020 war sich Lauterbach sicher, dass wir es nicht mit einer Epidemie zu tun haben – sondern mit einer weltweiten Pandemie. „Es gab keine Immunität, keine Voraussetzungen, das Virus zu stoppen. Mir war sofort klar, dass sich dieses Virus weltweit verbreiten wird." Doch wie kam es dazu, dass der Politiker in den Medien stets als Mahner und Warner der Corona-Pandemie galt und gilt? „Ich habe nicht nur gemahnt, sondern auch Ratschläge gegeben, was man machen könne", sagt Lauterbach, der nicht einfach nur Fachpolitiker ist, sondern von Beruf Arzt und Gastprofessor an der renommierten Harvard-Universität in den USA. So habe er etwa schon früh darauf hingewiesen, dass Produktionskapazitäten für Impfstoffe aufgebaut werden müssten, und in vielen Fällen versucht, Hilfe zu geben, wie es funktionieren könnte.
Zweite Welle: „Ein paar Zehntausend unnötig gestorben"
Die Folge waren zum Teil Hass und Bedrohungen in einem Ausmaß, das Lauterbach überrascht hat. „Es gibt Menschen, die mich und meine Familie bedrohen, die sogar Morddrohungen artikulieren, meine Wohnung mit Steinen bewerfen". Das habe, so der Politiker, „ein gravierendes Ausmaß angenommen." Danach gefragt, was man in Sachen Pandemiebekämpfung aus heutiger Sicht hätte anders machen können, ist Lauterbach überzeugt: In der zweiten Welle hätte man konsequenter in den Lockdown gehen müssen. „Da sind uns ein paar Zehntausend Menschen unnötigerweise gestorben."
„Kinder durch Delta-Variante gefährdet“
Was Kinder und Jugendliche angeht, meint Lauterbach, man hätte die Schulen fast komplett offenlassen können, wäre man früher zu der Kombination aus Tests und Wechselunterricht übergegangen. Doch in den kommenden Herbst blickt er aufgrund der sich verbreiteten Delta-Variante eher besorgt: „Die Kinder sind in den Schulen gefährdet, denn die Delta-Variante ist auch für sie sehr ansteckend. Ich würde es begrüßen, wenn mehr Kinder geimpft würden. Ich glaube, dass die Delta-Variante Kinder mehr gefährdet als die Impfung." Der Experte ist sich sicher, dass viele Eltern das bald genauso sehen und ihre Kinder impfen lassen.
Normalität wahrscheinlich erst im kommenden Jahr
Was meint Karl Lauterbach, wann wir wieder zurück zur Normalität kehren werden? „Das dauert noch etwas", glaubt der SPD-Gesundheitsexperte und macht Hoffnung auf das nächste Jahr. Trotzdem ist er sich sicher: „Covid wird nie vergleichbar sein mit der Grippe." Vor allem für ältere Menschen bleibe das Virus gefährlicher.
„Neue Virus-Varianten könnten Impfschutz durchbrechen“
Und angesichts der immer rasanteren Ausbreitung immer infektiöserer Formen von Sars-CoV-2 wie der gerade aktuellen „Delta-Variante“ gibt Lauterbach zu bedenken: Zwar wirkten die seit einem guten Jahr in Windeseile entwickelten Impfstoffe auch und noch. Doch diese vermeintliche Sicherheit sei trügerisch: „Wir wissen zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht, ob es nicht Varianten geben wird, die den Impfschutz komplett durchbrechen können.“