Künstliche Intelligenz liest paVK schon früh an den Augen ab

Auge liefert Hinweise auf schleichende Gefäßerkrankung – Foto: © Adobe Stock/ eyeadobestock
Der Augenhintergrund ist sehr gut durchblutet. Das ist wichtig, damit, Millionen von Fotorezeptoren in der Netzhaut und die mit ihnen verschalteten Nervenzellen Sehinformationen ans Gehirn leiten können. Gleichzeitig lassen sich die Arterien und Venen im sogenannten Fundus ohne viel Aufwand durch die Pupille beobachten und fotografieren.
Gefäßmediziner der Uniklinik Bonn nutzen diese Bilder nun, um Gefäßveränderungen an anderen Körperstellen zu diagnostizieren. Dafür haben die Wissenschaftler zusammen mit It-Spezialisten eine "lernende Software" entwickelt. In ersten Versuchen war die Künstliche Intelligenz bereits in der Lage, eine periphere arterielle Verschlusskrankheit (paVK) im Frühstadium zu erkennen. Die Ergebnisse sind jetzt in der Zeitschrift „Scientific“ Reports erschienen.
paVK Diagnose erfolgt meist sehr spät
In Deutschland leiden mehr als vier Millionen Menschen an einer PAVK. Meist sind Beine und Füße von der Durchblutungsstörung betroffen, die aus einer Arterienverkalkung resultiert. Die Gefäßerkrankung wird auch Schaufensterkrankheit oder Raucherbein genannt. Da die Arterienverkalkung in den ersten Jahren keine Beschwerden verursacht, erfolgt die Diagnose oft erst, wenn schon Folgeschäden eingetreten sind: Chronische Wunden, die nicht mehr zuheilen, starke Schmerzen und Bewegungseinschränkungen, bis hin zum Absterben der Extremitäten und Amputation. Zudem ist das Risiko für einen tödlichen Herzinfarkt oder Schlaganfall deutlich erhöht – und das schon in frühen Stadien der Erkrankung.
Frühdiagnostik mit künstlicher Intelligenz
Die Bonner Wissenschaftler hoffen nun, dass mit ihrer neuen Methode Arterienverkalkungen schon viel früher diagnostizierbar werden.
Für die Studie wurden Augen von 97 Personen fotografiert, die an einer paVK litten. Bei mehr als der Hälfte von ihnen war die Krankheit noch in einem Stadium, in dem sie keine Beschwerden verursachte. Zusätzlich nahm das Team den Hintergrund von 34 Augen gesunder Kontrollpersonen mit der Kamera auf.
Mit den Bildern fütterten die Forscher dann ein künstliches neuronales Netzwerk (KNN). Dabei handelt es sich um eine Software, die in ihrer Funktionsweise dem menschlichen Gehirn nachempfunden ist. Wenn man ein solches KNN mit Fotos trainiert, deren Inhalt dem Rechner bekannt ist, dann kann dieser später den Inhalt unbekannter Aufnahmen erkennen. Damit das mit ausreichender Sicherheit klappt, trainierten sie die Software mit weiteren 80.000 Fotoaufnahmen. Diese Bilder stammten von Patienten, mit Gefäßerkrankungen des Auges.
Trefferquote von 80 Prozent
Im Endeffekt konnte das künstliche neuronales Netzwerk die PaVK-Patienten mit bemerkenswerter Genauigkeit von den Gesunden unterscheiden. „Gut 80 Prozent aller Betroffenen wurden korrekt identifiziert“, sagt Prof. Thomas Schultz vom Bonn-Aachen International Center for Information Technology (b-it) und dem Institut für Informatik II der Universität Bonn. Das sei erstaunlich, denn selbst für geschulte Augenärztinnen und -ärzte seieine paVK anhand von Fundus-Bildern nicht zu erkennen.
An der Fehlerrate von 20 Prozent will das Team noch arbeiten, das Verfahren also weiter verbessern. „Langfristiges Ziel ist es, eine einfache, schnelle und zuverlässige Diagnosemethode zu entwickeln, die keine begleitenden Eingriffe wie die Verabreichung von Augentropfen erfordert“, so Schultz.
An der Studie waren neben den Medizininformatikern Kardiologen, Angiologen sowie Augenärzte beteiligt.