
Ein Medikament gegen Leukämie fördert den Abbau schädlicher Proteinablagerungen im Gehirn – Foto: ©Rido - stock.adobe.com
Für die Behandlung der Alzheimer-Demenz stehen wirksame Therapien nach wie vor aus. In einer Phase-II-Studie wurde nun das Krebsmedikament Nilotinib an Patienten getestet. Es könnte gegen die neurodegenerative Erkrankung helfen. Das meldet die Deutsche Gesellschaft für Neurologie.
Nilotinib wird bislang für die Behandlung einer bestimmten Form der Leukämie eingesetzt. Es ist ein sogenannter Tyrosinkinase-Inhibitor. Er blockiert bestimmte Schritte im Stoffwechsel der Krebszellen und hemmt ihr Wachstum.
Nilotinib reduziert Proteinablagerungen
Bei der Alzheimer-Erkrankung kommt es zur Produktion von fehlerhaften beziehungsweise fehlgefalteten Proteinen (Beta-Amyloid, Tau-Protein), welche sich im Gehirn in Form von Plaques oder als faserartige Fibrillen ablagern.
Im Alzheimer-Tiermodell reduzierte Nilotinib die Proteinablagerungen und förderte deren Abbau. In einer klinischen Phase-II-Studie wurden nun randomisiert, doppelblind und placebokontrolliert die Sicherheit und Verträglichkeit der Substanz und die Wirkung auf verschiedene Alzheimer-Biomarker am Menschen untersucht. Die Studie erschien in der Fachzeitschrift Annals of Neurology.
Leichte bis mittelgradige Alzheimer-Demenz
37 Patienten (davon 27 Frauen) zwischen 50 und 85 Jahren (im Mittel 70,7 Jahre) mit leicht bis mittelgradiger Alzheimer-Demenz wurden zunächst stabil auf eine einheitliche medikamentöse Therapie eingestellt (Acetylcholinesterase-Hemmer, Galantamin, Rivastigmin oder Donepezil).
Das Gehirn wurde mit Positronen-Emissions-Tomographie und MRT untersucht, auch wurden Proben der Rückenmarksflüssigkeit (Liquor) genommen. Die Patienten wurden in zwei Gruppen aufgeteilt und erhielten über 26 Wochen entweder einmal täglich oral 150 mg Nilotinib, gefolgt von 300 mg täglich für weitere 26 Wochen - oder Placebo.
Krebsmedikament könnte gegen Alzheimer helfen
Ergebnis: Die PET-Bildgebung zeigte, dass in der Nilotinib-Gruppe die Amyloid-Plaques im Frontallappen des Gehirns gegenüber der Placebogruppe signifikant zurückgegangen waren. Im Liquor waren relevante Konzentrationen von Nilotinib nachweisbar. Außerdem sanken die Konzentration von Beta-Amyloid-40 nach sechs Monaten und von Beta-Amyloid-42 nach 12 Monaten deutlich ab.
Auch die Tau-Protein-Menge (Phospho-Tau-181) war nach sechs und 12 Monaten rückläufig und der Volumenverlust des Hippocampus, eine Hirnregion die für das Gedächnis wichtig ist, war im MRT-Bild nach 12 Monaten um 27 Prozent geringer ausgeprägt als in der Placebogruppe. Das Krebsmedikament könnte also gegen Alzheimer helfen.
Tendenz zu besseren kognitiven Werten
Nilotinib wurde gut vertragen. Mit 300 mg gab es allerdings mehr Nebenwirkungen (besonders Stimmungsschwankungen) als mit 150 mg. Schwere unerwünschte Ereignisse gab es in der Nilotinib-Gruppe nicht, in der Placebogruppe traten bei drei Patienten insgesamt fünf Ereignisse auf (Rhabdomyolyse, Bronchitis, Hypotonie, Schwindelattacke).
Schwere kardiale Nebenwirkungen (wie sie in der Onkologie unter 600 mg/d beschrieben sind) gab es nicht. Tests wie der MMST (Mini-Mental-Status-Test) und ADAS-Cog (Alzheimer's Disease Assessment Scale) zur Objektivierung kognitiver Fähigkeiten (Orientierung, Merkfähigkeit, Aufmerksamkeit/Rechenfähigkeit, Sprache) zeigten keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen, jedoch eine Tendenz zu besseren Werten in der Nilotinib-Gruppe.
Frühere Erkrankungsstadien
"Diese relativ kleine Studie hat zunächst in erster Linie Sicherheit, Verträglichkeit und Effekte von Nilotinib auf Alzheimer-Biomarker untersucht - und das erfolgreich", so Prof. Richard Dodel, Geriater und Neurologe an der Universität Duisburg-Essen, in einer Pressemitteilung der DGN.
"Die Studie hatte jedoch zu wenige Patienten beziehungsweise war nicht dazu konzipiert, um eine Verlaufsbeurteilung der Demenz zu ermöglichen. Dennoch hoffen wir darauf, dass sich der positive Trend hinsichtlich der kognitiven Tests künftig in großen klinischen Studien bestätigen lässt. Möglicherweise muss man die Patienten in noch früheren Erkrankungsstadien behandeln, um langfristig krankheitsmodifizierende Vorteile zu sehen."
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