
Die Normaltemperatur des Menschen liegt heute niedriger als vor 160 Jahren – Foto: ©Syda Productions - stock.adobe.com
Unsere Körpertemperatur ist Schwankungen unterworfen. Sie verändert sich im Laufe des Tages, durch bestimmte äußere Bedingungen oder Aktivitäten und ist auch von Individuum zu Individuum unterschiedlich. Als durchschnittliche „normale“, also gesunde Körpertemperatur werden jedoch 37 Grad Celsius, genauer gesagt zwischen 36, 5 und 37,4 Grad Celsius, betrachtet. Ab 38 Grad Celsius spricht man von Fieber.
Doch gelten diese Werte überhaupt noch? Eine US-Studie hat gezeigt, dass die mittlere Körpertemperatur des Menschen in den vergangenen 160 Jahren gesunken ist, und zwar um 0,6 Grad Celsius. Demnach hat sich unser Stoffwechsel verlangsamt. Als Gründe stehen mehrere Erklärungen zur Verfügung.
37 Grad galt lange als „normal“
Eine Körpertemperatur von 37 Grad gilt – im Mund gemessen – seit dem Jahr 1851 als „normal“. Dieser Durchschnittwert wurde damals vom deutschen Arzt Carl Reinhold Wunderlich auf der Basis von Millionen Temperaturmessungen bei 25.000 Patienten ermittelt.
In neueren Messreihen kommt man jedoch auf deutlich niedrigere Werte. Es blieb jedoch lange unklar, ob dies auf eine Veränderung der Messmethoden oder genaueren Messinstrumenten beruhte oder ob es sich um eine tatsächliche Veränderung der Körpertemperatur handelte. Für Mediziner ist diese Frage durchaus von Bedeutung, wie Myroslava Protsiv von der Stanford University erklärt: „Die Frage, ob die mittlere Körpertemperatur sich mit der Zeit verändert, ist mehr als nur akademische Neugier. Denn die menschliche Körpertemperatur ist ein grober Anzeiger für die grundlegende Stoffwechselrate.“
Forscher gehen von physiologischen Veränderungen aus
Um das Phänomen genauer zu untersuchen, hat ein Forscherteam um Protsiv die Körpertemperaturen von über 677.000 Frauen und Männern ausgewertet. Dabei wurden Messreihen aus den vergangenen 157 Jahren mit einbezogen. Die Forscher stellten fest, dass die durchschnittliche Körpertemperatur des Menschen tatsächlich gesunken ist.
Während die Normaltemperatur im Jahr 1860 noch bei 37 Grad lag, wurde für die heutige Zeit ein Durchschnittswert von 36,4 Grad ermittelt. Die Forscher gehen zudem davon aus, dass dies nicht auf Unterschiede bei der Messmethode zurückzuführen ist, sondern auf physiologischen Veränderungen beruht.
Ruhestoffwechsel gesunken
Wenn die Körpertemperatur tatsächlich gesunken ist, bedeutet dies, dass auch der Ruhestoffwechsel niedriger sein muss. Das erscheint zunächst erstaunlich, denn da die Menschen heutzutage besser ernährt sind und größer und schwerer sind als früher, müssten ihr Stoffwechsel und die Temperatur eigentlich gestiegen sein.
Was also könnte der Grund für die Abkühlung sein? Die Studienautoren vermuten, dass die bessere Gesundheit sowie das Leben in klimatisierten Räumen dafür verantwortlich sind. Bei der Gesundheit könnte es vor allem die Abnahme chronischer Entzündungen sein, die zu einer Senkung der Körpertemperatur geführt hat. „Die ökonomische Entwicklung, bessere Lebens- und Hygienestandards, weniger chronische Infektionen, bessere Zahnhygiene, die Abnahme von Tuberkulose und Malaria und der Beginn des Antibiotika-Zeitalters sind Faktoren, die gemeinsam zu einer Reduktion chronischer Entzündungen seit dem 19. Jahrhundert geführt haben“, so Protsiv.
Bessere Gesundheit und gemäßigtere Außentemperaturen
Aber auch andere Lebensumstände haben sich geändert. So steigt der Stoffwechsel in der Regel, wenn die Umgebungstemperatur besonders hoch oder besonders niedrig ist. Heute leben viele Menschen jedoch in klimatisierten Umgebungen und sind weniger oft Hitze oder Kälte ausgesetzt als früher. In der Folge benötigt auch der Stoffwechsel weniger Energie, um die Körpertemperatur im optimalen Bereich zu halten. So könnte es dazu gekommen sein, dass die Durchschnittstemperatur des Menschen heute niedriger ist als früher.
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