Kliniken könnten bis 2030 bis zu 40 Prozent ihres Personals verlieren

Bald eine Rarität? Mitarbeiter im Krankenhaus. – Foto: AdobeStock/upixa
Der Klimawandel trifft Deutschland schneller und härter als viele dachten. Vergleichbar dramatisch könnten die Auswirkungen des demografischen Wandels auf das Gesundheitswesen in Deutschland sein. Das zumindest prophezeit der Intensivmediziner und Berater der Bundesregierung Christian Karagiannidis. Die deutschen Krankenhäuser stünden vor einer „der absolut schwierigsten Phasen“ ihrer Geschichte, sagte Karagiannidis auf einer Konferenz der Bundesärztekammer (BÄK). Karagiannidis ist Präsident der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN) und Mitglied im Corona-Expertenrat der Bundesregierung. Weitere Ursachen für Personalknappheit und -verlust sehen Experten allerdings auch in hausgemachten Problemen der Kliniken.
Schon jetzt fehlen 200.000 Pflegefachkräfte
Schon jetzt fehlen in Deutschland in Krankenhäusern und Pflegeheimen etwa 200.000 Pflegefachkräfte, darunter mehr als 4.000 auf Intensivstationen. Das zeigen Berechnungen des Instituts der Deutschen Wirtschaft in Köln. Nach einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) fehlen in Deutschland derzeit außerdem mehr als 15.000 Ärzte. Der demografische Wandel trifft das Gesundheitswesen doppelt. Erstens gibt es eine immer größere Zahl von alten und multimorbiden Menschen in der Gesellschaft, die behandelt und versorgt werden wollen und müssen. Zweitens altern ja auch die Mitarbeiter von Kliniken, Praxen oder Senioreneinrichtungen – und scheiden mit dem Rentenalter aus ihrem Beruf aus.
Personalprobleme in Kliniken: Es gibt auch hausgemachte Ursachen
Der demografische Wandel alleine genügt aber nicht, um das Personal- und Nachwuchsproblem im Gesundheitswesen erschöpfend zu erklären. Auch hausgemachte Defizite spielten eine Rolle, heißt es in einer Studie mit dem Titel „Das Krankenhaus als attraktiver Arbeitgeber", die von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO und dem Deutschen Krankenhausinstitut (DKI) erstellt wurde. Ausgerechnet das Gesundheitswesen zählt zu den Branchen mit den meisten krankheitsbedingten Fehltagen. Ein mangelndes Gesundheitsmanagement in Kliniken verschärfe Fachkräftemangel in der Pflege, heißt es in der Studie weiter. Auch was familienfreundliche Arbeitsbedingungen betrifft, hätten Kliniken einen wachsenden Handlungsbedarf.
Warum viele Ärzte aussteigen – oder gar nicht erst einsteigen
Viele Mediziner quittieren ihren Beruf frühzeitig wegen des hohen Arbeitsdrucks, vieler Nacht- und Wochenenddienste oder einer ungünstigen Work-Life-Balance. Vielfach wechseln sie die Seiten und arbeiten in der Industrie, der Forschung oder etwa bei Institutionen wie dem Medizinischen Dienst der Kranken- und Pflegeversicherung. Oder sie steigen – wenn sie ihr Medizinstudium absolviert haben – deshalb gar nicht erst in ihren eigentlichen Beruf am Originalschauplatz ein. Dies gilt insbesondere für den immer größeren Anteil von Frauen an den Medizinstudenten.