Junge Erwachsene wären bereit, Angehörige zu pflegen

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Zwei von drei jungen Erwachsenen (68 Prozent) können sich vorstellen, Angehörige zu pflegen. Das ist das Ergebnis des aktuellen Pflegereports der DAK-Gesundheit. Wissenschaftler unter Leitung von Prof. Thomas Klie von der Evangelischen Hochschule Freiburg untersuchten die Situation junger Pflegender in Deutschland.
Ergänzt wurden diese Interviews durch eine Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach unter 16- bis 39-Jährigen, darunter 443 Personen, die derzeit Angehörige pflegen oder unterstützen beziehungsweise das in den letzten zehn Jahren getan haben. "Der Pflegereport zeigt, dass die junge Generation bereit ist, Verantwortung zu übernehmen und sich für ihre Familienangehörigen einzusetzen. Das Thema Pflege ist bei vielen im Alltag verankert", sagt DAK-Vorstandschef Andreas Storm.
Junge Erwachsene wären bereit Angehörige zu pflegen
Laut Pflegestatistik des Statistischen Bundesamts wurden Ende 2019 von den 4,1 Millionen Menschen, die Leistungen aus der Pflegeversicherung erhielten, 80 Prozent zu Hause gepflegt. Angehörige spielen hier eine entscheidende Rolle. Laut DAK-Pflegereport haben 29 Prozent der 16- bis 39-Jährigen Familienangehörige, die auf Pflege oder Hilfe im Alltag angewiesen sind. Bei den über 40-Jährigen sind dies nur zwölf Prozent.
Grundsätzlich sind zwei Drittel der 16- bis 39-Jährigen bereit, Angehörige zu pflegen. Von den Befragten, die bereits zu Hause pflegen, würden sogar 84 Prozent eine erneute Pflegetätigkeit aufnehmen. Eine moralische Verpflichtung zur Pflege von Angehörigen sehen 41 Prozent, 29 Prozent sind der Ansicht, dass es keine Verpflichtung gäbe.
Pflege nicht primär moralische Pflicht
"Die Bereitschaft, Pflegetätigkeiten zu übernehmen, wird von jungen Menschen nicht primär als moralische Pflicht gesehen", sagt Prof. Klie. "Wir beobachten vielmehr eine Generationenverbundenheit mit einer hohen Qualität. Die Kinder und Enkelkinder lassen ihre Eltern, Geschwister und Großeltern nicht allein, wenn sie sich mit ihnen eng verbunden fühlen."
Rund ein Drittel der jungen Erwachsenen kann sich nicht vorstellen, Angehörige zu pflegen. Ein Großteil traut sich Pflegetätigkeiten nicht zu (63 Prozent). Für die Hälfte ist die Pflege nicht mit dem Beruf vereinbar (49 Prozent), und 44 Prozent befürchten seelische Belastungen. 29 Prozent wäre die Pflege eines Angehörigen unangenehm, 26 Prozent wohnen zu weit entfernt, und 22 Prozent haben Sorge vor einer zu starken finanziellen Belastung.
Spagat zwischen beruflicher Zukunft und Pflege
Die Sorge ist nicht ganz unberechtigt. 35 Prozent der "Young Carers" übernehmen mehrmals wöchentlich Pflegeaufgaben. 40 Prozent der jungen Pflegenden sind jeden Tag aktiv. 18 Prozent von ihnen täglich drei Stunden oder mehr. Obwohl sich junge Pflegende meist in einer Phase befinden, die von Ausbildung, Studium oder Berufseinstieg geprägt ist. Letztlich mussten aber nur 18 Prozent ihre Berufstätigkeit reduzieren oder aufgeben. Dabei verringerten sie häufiger ihr Stundenvolumen (13 Prozent) als ihren Beruf zu unterbrechen (5 Prozent).
"Es ist nicht selbstverständlich, dass sie durch die Pflege berufliche und finanzielle Nachteile in Kauf nehmen. Wir müssen einen festen Rahmen schaffen, in dem es kein Entweder-Oder gibt", betont Storm. Eine stärkere Unterstützung bei der Weiterführung des Haushalts und der Kinderbetreuung für jüngere Pflegende könnte ein Ansatzpunkt sein. Ebenso ein gesetzlicher Anspruch auf Zuschüsse zu Weiterbildungskosten und unterstützende Angebote, um einen Pflegemix von Angehörigen- und Fachkraftpflege zu ermöglichen.