Jede zweite „Diabetische Fuß Amputation “ unnötig

50.000 Amputationen fordert jedes Jahr das Diabetische Fußsyndrom – rund die Hälfte davon ist vemeidbar – Foto: ©BigBlueStudio - stock.adobe.com
Das Diabetische Fußsyndrom (DFS) fordert die meisten Amputationen in Deutschland. Betroffene verlieren einen Zeh, den ganzen Fuß oder das gesamte Schienbein – und damit Mobilität und Lebensqualität. Bis zu 50.000 solcher Amputationen werden jedes Jahr in Deutschland durchgeführt.
„Geeignete Präventionsmaßnahmen und interdisziplinäre ärztliche Zusammenarbeit kann Betroffenen einen solchen Weg zu ersparen“, erklärt Dr. Michael Eckhard, Sprecher der AG „Diabetischer Fuß“ der Deutschen Diabetes Gesellschaft DDG. „Dass diesbezüglich noch viel zu tun ist, zeigen die Zahlen: Noch immer gehen etwa zwei Drittel aller jährlichen Amputationen in Deutschland auf das diabetische Fußsyndrom zurück – rund die Hälfte wäre vermeidbar.“
Zertifizierte Fußbehandlungszentren amputieren weniger
Die DDG fordert: Alle Menschen mit Diabetischen Fußsyndrom müssen an ein multidisziplinäres Fußbehandlungsteam verwiesen werden. So zeigen nationale und internationale Studien, dass in zertifizierten Zentren die Rate der Major-Amputationen nur bei etwa drei Prozent liegt, in der Regelversorgung dagegen noch bei über zehn Prozent.
Spezialisierte und zertifizierte Zentren haben ganz andere medizinische Möglichkeiten. Zum Beispiel kann mittels einer Transplantation von Stammzellen, die aus Fettgewebe des Patienten selbst gewonnen werden, in vielen Fällen die Wundheilung wieder in Gang gebracht werden. Oder mit neuesten Kathetern unterhalb des Knies die Durchblutung verbessert werden. Wichtig ist aber, dass die Patienten sich rechtzeitig an ein solches Zentrum werden. Ist eine Gliedmaße bereits abgestorben, bleibt nur noch die Amputation.
Anspruch auf Zweitmeinung
Doch nicht immer ist die Indikation so klar und eindeutig. Eine Zweitmeinung könnte vielen Diabetikern eine Amputation ersparen, sind Experten überzeugt. Patienten haben seit diesem Jahr sogar einen Rechtsanspruch darauf, sich vor einer geplanten Amputation eine unabhängige ärztliche Zweitmeinung einzuholen. „Dies soll Betroffene unterstützen, eine informierte Entscheidung zur möglichen Auswahl zwischen invasiven oder konservativen Behandlungsmöglichkeiten zu treffen und damit gegebenenfalls eine medizinisch nicht gebotene Amputation zu vermeiden“, erläutert Eckhard.
Telemedizin beschleunigt das Zweitmeinungsverfahren
Um Patienten das Einholen einer Zweitmeinung zu erleichtern, hat die AG Diabetischer Fuß der DDG ein telemedizinisches Tool entwickelt. Es soll dazu beitragen, dem Patienten eine zeitgerechte Entscheidungshilfe an die Hand zu geben, ohne die Versorgungseinrichtung verlassen zu müssen. Denn: „Steht eine große, sogenannte Major-Amputation an, ist die Situation immer dringlich und erfordert eine Entscheidung binnen maximal 36 Stunden“, sagt Prof. Ralf Lobmann von der DDG.
Derzeit richtet die DDG in Zusammenarbeit mit dem Berufsverband Deutscher Internisten (BDI) und weiterer Kooperationspartner eine Plattform für ein telemedizinisches Fußkonsil ein. Kürzlich ist auch der Fuß-Pass der DDG erschienen: Er soll durch gezielte Patientenaufklärung das Zweitmeinungsverfahren bekannt machen und zur Senkung der hohen Amputationsrate beitragen.
Beim Diabetischen Fußsyndrom verzuckern die Gefäße, wodurch es zu einer verminderten Durchblutung und Wundheilungsstörungen kommt. Ohne eine ausreichende Durchblutung sind meist alle weiteren Maßnahmen zur Wundheilung und zum Erhalt der Extremitäten vergeblich.
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