Ist Nanoplastik gefährlicher als Mikroplastik?

Das Plastik, das der Mensch in die Welt setzt, kehrt beim Essen, Trinken oder Atmen zu uns zurück. Die Folgen für die Gesundheit werden gerade erst erforscht. – Foto: AdobeStock/VALERIO R.N.
Plastikteilchen gelangen aus verwitterndem und zerfallendem Kunststoff, Autoreifenabrieb, Kleidung und vielen anderen Quellen in die Umwelt. Am Ende kehrt es zu uns – und sogar in uns – zurück: wenn wir atmen, essen oder trinken. Eine jetzt veröffentlichte Studie des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) kommt zu dem Schluss: „Je kleiner Plastikteilchen sind, umso leichter werden sie von Zellen aufgenommen. Daneben spielen Form, Oberfläche und die chemischen Eigenschaften eine wichtige Rolle bei der Antwort auf die Frage, wie sich die Partikel auf menschliches Gewebe auswirken.“
Mikroplastik: Zu „groß“, um sich im Körper anzureichern?
Als vergleichsweise geringes Risiko für die menschliche Gesundheit gilt nach derzeitigem Wissensstand Mikroplastik. Der Grund dafür ist trotz seiner Kleinteiligkeit die Größe, die es immer noch besitzt. Mikroplastik ist zwischen einem Mikrometer (das ist ein millionstel Meter/Einheit: µm) und fünf Millimeter (ein tausendstel Meter, Einheit: mm) groß. „Damit ist zu ‚sperrig‘, um von menschlichen Zellen in nennenswertem Umfang aufgenommen und im Körper verteilt zu werden“, heißt es beim Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR). „Es ist unverdaulich und wird größtenteils wieder ausgeschieden.“
Nanoplastik: Bis zu einen milliardstel Meter klein
Anders sieht es laut BfR bei noch kleineren Partikeln aus, dem Submikro- und Nanoplastik. Diese Teilchen sind zwischen einem Nanometer (milliardstel Meter, Einheit: nm) und 1000 Nanometer (gleich einem Mikrometer) groß. Die Forschungen zur Gefährlichkeit von Plastikpartikeln für den Menschen stecken immer noch in den Kinderschuhen und die langfristigen gesundheitlichen Risiken sind längst nicht geklärt. Hier Wissenslücken zu schließen, haben sich Forscher des BfR zur Aufgabe gemacht und haben diese – noch einmal kleineren Teilchen – der Sorte „Nanoplastik“ im Zellversuch unter die Lupe genommen.
Nanoplastik soll Entzündungsprozesse im Gewebe auslösen
Nanoplastikteilchen stehen im Verdacht, als künstliche Einschlüsse den normalen Stoffwechsel der Zelle zu stören. Plastikteilchen könnten auch potentiell schädliche Substanzen an sich binden und diese als „trojanisches Pferd“ in die Zelle einschleusen. Als mögliche Effekte durch Nanoplastik werden zum Beispiel Entzündungsprozesse im Gewebe diskutiert.
Wissenschaftler konfrontieren Zellen mit Plastikbesteck
Die Auswirkungen von Nanoplastik in menschlichem Gewebe sind wegen seiner kaum vorstellbaren Kleinheit nicht so einfach zu studieren. Das Wissenschaftler-Team des Bundesinstituts setzte dafür speziell gezüchtete menschliche Zellen verschiedener wichtiger Organe im Laborversuch bestimmten Kunststoffen aus, wie sie etwa in Plastikgeschirr und -besteck oder in Lebensmittelverpackungen eingesetzt werden. Für ihre Beobachtungen nutzten sie bestimmte Mikroskopier- und Prüfverfahren.
Dünndarmzellen widerstandsfähiger gegen Plastikpartikel
„Es zeigte sich, dass mehr Partikel aufgenommen wurden, je kleiner diese Teilchen waren. Auch die Art der Partikel spielte eine wichtige Rolle“, heißt es in einem Statement des Bundesinstituts. Die Zellen verschiedener Organe schnitten bei ihrer Widerstandsfähigkeit gegenüber eindringendem Nanoplastik verschieden gut ab: „Die Dünndarmzellen als natürliche Barriere zwischen Darminhalt und Organismus erwiesen sich dabei als eher widerstandsfähig“, heißt es beim BfR. Nur in geringem Maße sickerte im Laborversuch Mikroplastik in die Zellen ein.
Darm und Leber anfälliger gegenüber Nanoplastik
Die besonders kleinen Partikel im Submikrometerbereich konnten hingegen in größeren Mengen in Darm- und Leberzellen gemessen werden. Die Teilchen lagerten sich entweder direkt an den Zellmembranen an oder wurden in kleinen Bläschen aus Zellmembran eingeschlossen, einem als „Endozytose“ bezeichneten Prozess.
„Zellversuch nicht einfach auf den ganzen Menschen übertragbar“
Die aktuelle Studie des Bundesinstituts für Risikobewertung wurde im Fachblatt „Microplastics and Nanoplastics“ veröffentlicht. Die Forscher weisen darauf hin, dass die Ergebnisse aus Zellversuchen nicht pauschal auf den menschlichen Organismus als Ganzes übertragbar seien. Sie sollen aber einen weiteren kleinen wissenschaftlichen Schritt darstellen, um die Wirkung und Gefährlichkeit von Plastik, das der Mensch in die Umwelt gebracht hat und das am Ende schicksalshaft zu ihm zurückkehrt, immer besser abschätzen zu können.