Hoffnung auf neues Medikament gegen Rückenmarksverletzungen

Bislang gibt es kein wirksames Medikament gegen Rückenmarksverletzungen. Doch die Forschung macht Fortschritte
Jedes Jahr erleiden in Europa mindestens 7.500 Menschen eine so schwere Rückenmarksverletzung, dass sie dauerhaft unter Komplikationen leiden. In den USA liegt die Zahl bei rund 10.000 Betroffenen. Umso erfreulicher die Nachricht, die die Case Western University School of Medicine Cleveland (USA) dieser Tage meldet. Wissenschaftlern war es gelungen, eine chemische Substanz zu entwickeln, die Nerven im Rückenmark zum Wachsen bringen kann. In einer Studie mit 26 Ratten zeigten 21 ein gewisses Ausmaß an Gesundung. Es bezog sich entweder auf die Bewegungsfähigkeit, das Gleichgewicht oder auf die Funktion der Blase. Die Wirkung des Medikaments, ein sogenanntes intracellular sigma peptide (ISP), beruht auf der Unterbrechung der klebrigen Substanz, die verhindert, dass Nervenzellen während einer Verletzung wachsen.
Rückemarksverletzungen: Chemikalie überwindet Klebstoffin Tests
Laut dem Team um Jerry Silver verhindert das sich nach einer Rückenmarksverletzung bildende Narbengewebe normalerweise die Heilung. Zuckerhaltige Proteine werden durch das Narbengewebe freigesetzt. Sie wirken wie Klebstoff. Die langen schlauchartigen Nervenzellfortsätze, Axone genannt, verfangen sich im Klebstoff, wenn sie versuchen, die Verletzung zu überwinden.
In ihrer Studie spritzten die Wissenschaftler den rückenmarksverletzten Ratten sieben Wochen lang täglich die Chemikalie in die Haut über dem Rückenmark und unterbrachen somit offenbar die Aktivität des Klebstoffes. Laut Silver begannen die Axone anschließend zu wachsen. Die Ergebnisse zeigen, dass 21 von 26 Ratten mindestens eine Funktion wiedererlangten, manche Tiere auch zwei oder alle drei.
Hoffnung auf ein Medikament: Weitere Tests erforderlich
„Wir wissen nicht, warum welches Tier eine bestimmte Funktion wiedererlangte und ein anderes nicht“, sagt Silver. „Das bleibt eine der offenen Fragen.“ Laut Silver war die Wirkung bei einigen Tieren so ausgeprägt, dass eine Verletzung kaum noch zu erkennen war. Weitere Tests mit größeren Tieren seien jedoch nötig, bevor klinische Studien durchgeführt werden könnten. In Zukunft wäre der neue Ansatz in Kombination mit Nerventransplantationen und elektrischer Stimulation möglich.
„Die Studienergebnisse machen uns große Hoffnung, denn augenblicklich gibt es kein Medikament, das die von Natur aus begrenzten Heilungsmöglichkeiten bei Rückenmarksverletzungen verbessert“, sagt Lyn Jakeman vom National Institute of Neurological Disorders and Stroke, das die Studie finanziell unterstützt hat. Die Forschungsergebnisse wurden in der Dezember-Ausgabe des Fachmagazins Nature veröffentlicht.
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