Herzinfarkt-Versorgung: Nicht jede Klinik kann das gut

Bei einem Verschluss oder einer Verengung der Herzkranzgefäße (etwa nach Herzinfarkt) kann der Schaden durch eine schnelle Behandlung mit einem Herzkatheter begrenzt werden. Hierfür wird bei einem minimalinvasiven Eingriff das betroffene Blutgefäß durch eine Ballondilatation geweitet und wieder durchlässig gemacht. – Foto: AdobeStock/Franz
Mehr als 300.000 Menschen erleiden in Deutschland im Jahr einen Herzinfarkt. 255.000 der Betroffenen überleben – meist, weil ihnen schnell und richtig geholfen wird. Seit 1980 hat sich deshalb Zahl der Infarkttoten nach Angaben des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) halbiert. Das ist die Sonnenseite der Statistik. Eine Schattenseite offenbart jetzt der aktuelle „Qualitätsmonitor“ des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO). Obwohl der Herzinfarkt ein häufiger Standard-Notfall ist, wird er in vielen Kliniken offenbar noch immer nicht in der nötigen – und nach dem Stand von Wissenschaft und Technik möglichen – Qualität behandelt.
Herzinfarkt: Warum der Herzkatheter überlebenswichtig ist
„Nach wie vor werden viele Patientinnen und Patienten mit Herzinfarkt nicht optimal versorgt“, heißt es deshalb in einer kritischen Stellungnahme des AOK-Bundesverbands. Sieben Prozent Herzinfarkt-Fälle aus dem Jahr 2020 wurden dem AOK-Qualitätsmonitor zufolge in Kliniken behandelt, die über kein eigenes Katheterlabor verfügten. In einem Katheterlabor können Gefäßverschlüsse, die bei einem Herzinfarkt auftreten, optimal behandelt werden. Infarktpatienten sollten über den Rettungsdienst so schnell wie möglich ein Katheterlabor erreichen. Die Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie empfiehlt, Krankenhäuser ohne rund um die Uhr verfügbares Katheterlabor zu umgehen.
Weniger als 25 Infarktpatienten im Jahr: Kliniken fehlt die Übung
Doch dies geschieht offenbar noch immer zu oft. Laut AOK war dieses Problem der nicht adäquaten Herzinfarkt-Versorgung in denjenigen 362 Kliniken ausgeprägt, die im Jahr 2020 weniger als 25 Fälle behandelten. Nur jede fünfte Klinik in dieser Gruppe verfügte laut Qualitätsmonitor über ein Herzkatheterlabor. Von den insgesamt 4.108 Herzinfarkten in Kliniken mit weniger als 25 Fällen pro Jahr wurden 77 Prozent in Krankenhäusern ohne Herzkatheterlabor versorgt. In den Kliniken mit mehr als 240 Herzinfarkt-Fällen pro Jahr lag dieser Anteil hingegen bei 0 Prozent.
„In Kliniken, die häufig Herzinfarkte behandeln, können Patientinnen und Patienten die optimale Ausstattung und Erfahrung erwarten“, sagt Jürgen Klauber, der Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK. „So sollte bei schweren Herzinfarkten möglichst innerhalb von einer Stunde eine Herzkatheter-Behandlung erfolgen. In Häusern, die nur selten Herzinfarkte behandeln, ist das bis auf wenige Ausnahmen nicht gewährleistet.“
Kein Mangel an Herzkatheterlaboren – aber eine Fehlsteuerung von Patienten
Der AOK-Qualitätsmonitor legt den Finger in die Wunde und zeigt: Einen Mangel an Herzkatheter-Laboren gibt es in Deutschland offensichtlich nicht – wohl aber eine Fehlsteuerung von Patienten. Beispiel Berlin: In der Bundeshauptstadt gab es im Jahr 2020 insgesamt 24 Kliniken mit durchgängig verfügbarem Herzkatheterlabor. Dennoch nahmen dort 18 weitere Kliniken ohne Katheterlabor an der Herzinfarkt-Versorgung teil. Das entspricht immerhin 39 Prozent aller Kliniken, die in Berlin an der Versorgung beteiligt waren. Am besten schneidet im AOK-Ländervergleich Hamburg ab, wo nur zwei Kliniken (10 Prozent der an der Herzinfarkt-Versorgung beteiligten Häuser) kein Katheterlabor vorhielten.