Herpes-Viren können Alzheimer begünstigen

Die Alzheimer-Erkrankung ist eine neurologische Erkrankung. Sie entsteht nicht durch Krankheitskeime und ist selbst nicht ansteckend. Umgekehrt können aber Infektionskrankheiten diese häufigste Form der Demenz begünstigen. – Foto: AdobeStock/BillionPhotos.com
Herpes-Bläschen an den Lippen kennen viele. Ursache dafür ist eine Infektion mit dem sogenannten Herpes-simplex-Virus Typ 1. Die zweite Form von Herpes-Erkrankung ist die Gürtelrose, die durch das „Varizella-Zoster-Virus“ (VZV) ausgelöst wird. Eine Studie der Universitäten Oxford und Manchester in Großbritannien sowie einer Universität in Massachusetts (USA) deutet darauf hin, dass Herpes-Viren eine Alzheimer-Erkrankung begünstigen können, obwohl sie selbst nicht zu den Infektionskrankheiten gehört.
„Bislang vernachlässigte, aber absolut mögliche neue Ursache“
„Die Ergebnisse dieser experimentellen Studie erweitern unseren Blick bezüglich der Entstehung einer Alzheimer-Erkrankung auf eine bislang eher vernachlässigte, aber absolut mögliche neue Ursache“, kommentiert der Humanmediziner und Neurowissenschaftler Michael Überall die Ergebnisse der Studie: „chronische Viruserkrankungen“. Umso wichtiger sei es deshalb, Herpes-Erkrankungen im Blick zu haben. Schätzungen zufolge tragen circa 50 Prozent aller Erwachsenen das Herpes-simplex-Virus Typ 1 und 95 Prozent aller Über-60-Jährigen das Varizella-Zoster-Virus in sich.
Das Virus schlummert im Körper – plötzlich bricht Gürtelrose aus
Dieser Trägerstatus bezüglich Herpes-Viren war für die meisten Betroffenen lange Zeit eher unbedeutend. Mit durchschnittlich zunehmendem Lebensalter und dem steigenden Anteil älterer Personen an der Gesamtbevölkerung gibt es auch mehr potenzielle Patienten, bei denen Viren altersbedingt reaktiviert werden können.
Bei Gürtelrose kommt die Infektion nicht von außen, sondern gewissermaßen von innen, denn: So gut wie jeder über 60 trägt heute das Varizella-Zoster-Virus in sich – nach einer Windpocken-Erkrankung, die meist in Kindertagen erfolgt ist. Dieses Virus kann lange untätig im Körper schlummern. Kommt es alters-, stress- oder krankheitsbedingt zu einer temporären Immunschwäche, kann das zu einer Reaktivierung des Virus im Körper führen – und eine Gürtelrose kann ausbrechen.
Je mehr Viren, desto stärker die Belagbildung im Gehirn
Weil die Menschen immer älter werden, kommt der virusbedingten Bildung der Proteine, die im Gehirn Beläge (Plaques) bilden und für die Alzheimer-Erkrankung mitverantwortlich sind, eine immer größere Rolle zu. „Auch wenn wir noch nicht wirklich wissen, auf welchem Weg die genannten Eiweißkörper die Funktion der Nervenzellen beeinträchtigen, so ist zumindest klar, dass das Ausmaß von Bildung und Ablagerung von der Anzahl und der Schwere der VZV-Reaktivierungen abhängt und mit der Schwere der Alzheimer-Erkrankung in einem engen Zusammenhang steht", sagt Mediziner Überall, der auch Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS) ist.
Gürtelrose: Impfung in jungen Jahren kann Infektion verhindern
„Sollte sich dieser Zusammenhang auch in klinischen Studien bestätigen, dann könnte sich über das Varizella-Zoster-Virus eine Möglichkeit ergeben, den Weg der Entstehung einer Alzheimer-Erkrankung vorbeugend zu beeinflussen bzw. ihn vielleicht sogar weitgehend zu verhindern“, sagt Neurowissenschaftler Überall: durch eine Impfung mit dem Lebendimpfstoff im Kindesalter zur Vermeidung der Erstinfektion mit VZV; und durch die Impfung Erwachsener mit dem Totimpfstoff zur Stärkung des Immunsystems und Verhinderung der Reaktivierung bereits im Körper befindlicher Varizella-Zoster-Viren.
Impfung im Alter soll Ausbruch von Gürtelrose verhindern
Um eine Reaktivierung von Varizella-Zoster-Viren und einen Ausbruch von Gürtelrose zu verhindern, empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) Personen ab 60 Jahren eine Impfung gegen Gürtelrose. Bei Menschen mit Grunderkrankungen gilt dies bereits ab 50 Jahren. Die Kosten übernimmt inzwischen die Gesetzliche Krankenversicherung.
Damit ließen sich nicht nur monatelange Nervenschmerzen verhindern, die als Hauptkomplikation bei etwa 30 Prozent der Erkrankten im Anschluss an die ursprüngliche VZV-Infektion auftreten können, sagt Mediziner Überall. Jeder Geimpfte könne damit zugleich sein persönliches Risiko für die mögliche Entwicklung einer Alzheimer-Erkrankung senken.