
Zwischen Pflegeheimen gibt es große Qualitätsunterschiede
Fast 800.000 Pflegebedürftige in Deutschland leben in Pflegeheimen. Dass dort nicht immer alles rund läuft, ist bekannt. Nun legt der Pflegereport des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) den Finger in die Wunde: Demnach gibt es zum Teil gravierende Mängel in der medizinischen Versorgung. Patienten liegen sich wund, werden mit Medikamenten ruhiggestellt oder viel zu oft ins Krankenhaus eingewiesen. Allerdings zeigt der Report auch erhebliche Qualitätsunterschiede auf. Neben den schwarzen Schafen gibt es auch viele gute Pflegeheime. Grundlage für die Analyse waren Abrechnungsdaten von AOK-versicherten Pflegebedürftigen aus rund 5.600 Pflegeheimen.
Dekubitus oft vermeidbar
Beispiel Dekubitis: Im Schnitt treten jedes Jahr je 100 Heimbewohner 8,5 neue Dekubitus-Fälle auf. Das auffälligste Viertel der Heime mit 12 oder mehr Fällen hat dreimal so viele Fälle wie das Viertel der Heime mit den niedrigsten Raten. Dieser krasse Unterschied unterstreicht, dass das Wundliegen durch eine Dekubitusprophylaxe meist verhindert werden kann. Selbstverständlich gebe es Pflegeheime, die besonders viele Risikopatienten betreuten, meint Dr. Antje Schwinger, Leiterin des Forschungsbereichs Pflege im WIdO und Mitherausgeberin des Pflege-Reports. Doch die Unterschiede seien zu auffällig: „Pflegeheime mit mehr Risikopatienten müssen verstärkt Aktivitäten zur Dekubitus-Vermeidung durchführen“, sagte sie.
Genau wie die Häufigkeit von Dekubitus-Fällen ist auch die Zahl der Antipsychotika-Verordnungen ein wichtiges Indiz für Qualität der medizinischen Versorgung in Pflegeheimen. Nach den aktuellen Auswertungen des Pflegereports erhalten 41 Prozent der Demenzkranken im Pflegeheim mindestens einmal pro Quartal eine Psychopille. Dabei verstößt die dauerhafte Gabe von Antipsychotika an Demenzkranke gegen medizinische Leitlinien.
Ab ins Krankenhaus – ein Risiko für Hochbetagte
Auch eine weitere Kennzahl ist erschreckend: Jeder fünfte Pflegeheimbewohner wird innerhalb eines Quartals ins Krankenhaus eingewiesen. Gleichzeitig gelten aber 40 Prozent dieser Einweisungen in Fachkreisen als potenziell vermeidbar. Bei einer besseren ambulant-ärztlichen Versorgung wären sie zum Teil gar nicht notwendig, meint Schwinger. „Selbst wenn nicht alle Fälle von Krankenhauseinweisungen tatsächlich vermeidbar sind – die breite Ergebnisspanne zwischen den Pflegeheimen wirft auch hier Fragen auf“, betont Schwinger. „Krankenhausaufenthalte können für die in der Regel hochbetagten, kognitiv eingeschränkten Menschen im Pflegeheim selbst zu einem Gesundheitsrisiko werden.“
Pro Jahr summieren sich die so genannten ambulant-sensitiven Krankenhausfälle durchschnittlich auf 32 Fälle pro 100 Bewohner. Die fünf Prozent der Heime, die am auffälligsten sind, haben doppelt so hohe Raten wie der Durchschnitt. Das heißt, dort sind es 63 Fälle pro 100 Bewohner.
Noch mehr Transparenz nötig
Nach Ansicht von Pflege-Expertin Schwinger ist noch mehr Transparenz über das tatsächliche Versorgungsgeschehen erforderlich, um die Defizite abzustellen. Der neu aufgestellte Pflege-TÜV reiche nicht aus, denn die gesundheitliche Versorgung der Pflegebedürftigen werde er weiterhin nicht abbilden. Analog zum Krankenhaus, wo die sektorübergreifende Qualitätssicherung über Routinedaten längst etabliert ist, sollten auch im Pflegebereich die Abrechnungsdaten für die Verbesserung der Versorgungstransparenz genutzt werden, so die Expertin.
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