„Gesetzlich Versicherte verschenken im Jahr 4,5 Milliarden“

Im kommenden Jahr können Krankenkassen die Zusatzbeiträge erhöhen, ohne dass sie jeden Versicherten persönlich informieren müssen. Bei einer Beitragserhöhung besitzen Versicherte ein Sonderkündigungsrecht und können leicht die Kasse wechseln. – Foto: AdobeStock/PhotographyByMK
Viele Deutsche wechseln die Krankenkasse offenbar nicht so flink und tarifbewusst wie etwa ihren Strom- oder Telefonanbieter. Aber was wäre, wenn sie das täten – und bei ihrer Entscheidung allein auf den Preis achten würden? Das hat jetzt das Preisvergleichsportals „Check24“ ausgerechnet.
Nach Einschätzung des Portals mit Hauptsitz in München haben die deutschen Verbraucher im laufenden Jahr 2022 mehrere Milliarden Euro verschenkt, weil sie ihre Krankenkasse nicht gewechselt haben. „Wären alle gesetzlich Versicherten zur günstigsten bundesweit tätigen Kasse im Check24-Vergleich mit einem Zusatzbeitrag von 0,69 Prozent gewechselt, hätten sie insgesamt 4,5 Mrd. Euro gespart“, heißt es in einer Mitteilung des Portals. Grundlage für die Berechnung waren demnach Daten des Bundesamts für soziale Sicherung und der gesetzlichen Krankenkassen.
Zusatzbeitrag: Der kleine Unterschied zwischen den Krankenkassen
Krankenkassen unterscheiden sich aus Verbraucherperspektive insbesondere durch den sogenannten Zusatzbeitrag. Denn der allgemeine Beitrag in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ist für alle Versicherten gleich – er liegt aktuell bei 14,6 Prozent des Bruttoeinkommens. Im Gegensatz dazu fällt der Zusatzbeitrag von Kasse zu Kasse unterschiedliche aus – denn jede einzelne Kasse kann ihn – in Abhängigkeit von ihrer finanziellen Situation – individuell festlegen.
In fünf Bundesländern sind Zusatzbeiträge besonders günstig
Im Durchschnitt verlangen gesetzliche Krankenkassen in diesem Jahr einen Zusatzbeitrag in Höhe von 1,3 Prozent. Dieser Zusatzbeitrag bewegt sich in einem Korridor zwischen der billigsten und der teuersten Kasse und er ist nicht in allen Bundesländern gleich. Sieht man sich die im Vergleichsportal Check24 gelisteten 41 Kassen an, so zeigt sich: In bestimmten Bundesländern ist dieser Korridor breiter. Laut Check24 profitieren Versicherte hiervon am stärksten in den Ländern Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. „In diesen Bundesländern verlangt die günstigste Kasse 0,69 Prozent Zusatzbeitrag, bei der teuersten Kasse werden 1,70 Prozent fällig“, heißt es bei Check24.
Nach Berechnungen des Vergleichsportals sparen Arbeitnehmer mit einem Jahreseinkommen von 58.050 Euro (Beitragsbemessungsgrenze 2022) aktuell bis zu 293 Euro jährlich durch einen Wechsel der Krankenkasse. Bei einem Jahreseinkommen von 30.000 Euro beträgt das Sparpotenzial bis zu 152 Euro jährlich.
Unterschiede zwischen Kassen auch bei den Zusatzleistungen
„Ein Wechsel der Krankenkasse lohnt sich jetzt ganz besonders", sagt Daniel Güssow, Managing Director Gesetzliche Krankenkassen bei Check24. "Verbraucher*innen sparen ganz unmittelbar beim Beitrag. Hierfür stehen in jedem Bundesland günstige Kassen zur Verfügung. Zusätzlich erhalten Versicherte Zugang zu wichtigen Zusatzleistungen, denn auch hier gibt es große Unterschiede zwischen den Kassen." Zu den Zusatzleistungen zählen beispielsweise die professionelle Zahnreinigung oder Vorsorgeuntersuchungen. Check24: „Keine Angst vorm Kassenwechsel“
Check24: „Keine Angst vorm Kassenwechsel“
Dem Portal zufolge brauchen Verbraucher „keine Angst vor dem Wechsel ihrer gesetzlichen Krankenversicherung haben“, denn: „Eine Versicherungslücke oder Doppelversicherung ist ausgeschlossen. Außerdem sind die gesetzlichen Grundleistungen bei allen Kassen gleich und werden von diesen übernommen.“
Krankenkassen informieren erstmals nicht aktiv über Erhöhungen
Nachdem bereits im laufenden Jahr 22 gesetzliche Krankenkassen ihre Beiträge angehoben haben, steht im Januar 2023 die nächste Welle von Preiserhöhungen bevor. Der durchschnittliche Zusatzbeitrag steigt mit 1,60 Prozent auf ein Rekordniveau. Auch die Beitragsbemessungsgrenze wird auf 59.850 Euro angehoben. „Versicherten drohen damit Mehrkosten von bis zu 233 Euro jährlich“, warnt Check24.
Der Knackpunkt dabei: Anders als bisher müssen die gesetzlichen Krankenkassen ihre Versicherten nicht mehr persönlich per Brief über eine Beitragserhöhung informieren. Diese Informationspflicht ist bis Ende Juni 2023 ausgesetzt. Die allgemeine Ankündigung einer Beitragserhöhung auf der Kassen-Webseite oder im Mitgliedermagazin reicht dann aus. „Versicherte müssen sich darauf einstellen, dass die Krankenkassen flächendeckend Beiträge erhöhen", sagt GKV-Spezialist Güssow.
Kassenwechsel: Zwei Strategien für Verbraucher
Welche Kassen tatsächlich ihren Beitrag erhöhen und wie stark, ist noch nicht ausgemacht. In der Regel entscheiden die Versicherungen darüber jetzt im Dezember. Wer eine Beitragserhöhung bekommt, besitzt dem Fachportal „Finanztip“ zufolge ein Sonderkündigungsrecht und kann dann die Kasse wechseln. Hierbei sind laut Finanztip zwei Strategien möglich. Entweder: Man schaut einzig und allein auf den Beitrag und sucht sich die günstigste Kasse in seinem Bundesland aus. Oder: Man achtet darauf, dass die Mischung stimmt – also „auf ein gutes Gesamtpaket aus Service, freiwilligen Zusatzleistungen und niedrigem Beitrag“.