Forscher entwickeln Impfstoff gegen Nervenkrankheit ALS

Kampf gegen Amyotrophe Lateralsklerose: Die EU gibt 2,5 Millionen Euro für die Entwicklung eines ALS-Impfstoffs – Foto: © Adobe Stock/ NicoElNino
Amyotrophe Lateralsklerose – kurz ALS – ist eine Schockdiagnose. Die neurodegenerative Erkrankung führt zu schwersten Behinderungen und verläuft immer tödlich. Grund ist, dass sich schädliche Proteinen in den Motoneuronen des Gehirns und Rückenmarks ablagern und diese zum Absterben bringen. Etwa 5 bis 10 Prozent aller ALS-Erkrankungen werden durch eine Mutation im sogenannten C9orf72-Gen verursacht und sind damit die häufigste genetisch bedingte ALS-Variante.
Impfstoff zielt auf häufigste Genmutation
Wissenschaftler vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen e.V. (DZNE) wollen diese Genmutation nun als Angriffspunkt für einen therapeutischen Impfstoff nutzen. Einen Prototypen gibt es bereits. Dank einer Förderung durch die Europäische Union von 2,5 Millionen Euro kann der Impfstoff nun weiterentwickelt werden. Ziel des Projekts ist es, den Impfstoffkandidaten in die klinische Forschung zu bringen. Hierfür kooperiert das DZNE mit Intravacc B.V., einem weltweit tätigen Auftragsunternehmen für die Entwicklung und Herstellung von präventiven und therapeutischen Impfstoffen.
Noch viel Forschung nötig
„Bevor wir diesen Ansatz bei Menschen mit ALS testen können, müssen wir die Herstellung unseres Impfstoffs in klinischer Qualität etablieren und in weiteren Studien die Sicherheit unseres Ansatzes belegen“, erläutert Prof. Dieter Edbauer, Forschungsgruppenleiter am DZNE-Standort München. „Alles in allem hoffen wir, dass die Ergebnisse dieses gemeinsamen Projekts mit Hilfe von Intravacc die breite Anwendung von Impfstoffen bei schwächenden neurodegenerativen Erkrankungen voranbringen werden.“
Impfung soll Immunsystem scharf machen
Die Forschungsgruppe von Edbauer hatte entdeckt, dass Mutationen am C9orf72-Gen dazu führen, dass toxische Proteine - vor allem große, kettenartige Moleküle namens „Poly-Glycin-Alanin“ (poly-GA) - gebildet werden. Sie lösen in transgenen Mäusen ein Krankheitsbild ähnlich zur ALS aus, das letztlich zum Absterben von Nervenzellen führt. Der Impfstoffkandidat soll das Immunsystem dazu anregen, Antikörper gegen diese schädlichen Poly-GA-Moleküle zu bilden. Versuche an Mäusen zeigten, dass durch die Gabe des Impfstoffs Poly-GA-Aggregate reduziert und motorische Defizite weitgehend verhindert werden. Zur Aufrechterhaltung ausreichender Antikörperspiegel muss der Impfstoff regelmäßig verabreicht werden.
2025 könnte die erste klinische Studie beginnen
„Das Ziel unseres aktuellen Projekts ist es, den Impfstoff so weit zu entwickeln, dass er am Menschen getestet werden kann“, sagt Dr. Jan Groen, CEO von Intravacc. Klinische Versuche können demnach voraussichtlich im Jahr 2025 beginnen. „Unsere Erfahrung in der Entwicklung ähnlicher Konjugatimpfstoffe für Infektionskrankheiten wird die präklinische Entwicklung erheblich beschleunigen und den Start der ersten klinischen ALS-Impfstudie beim Menschen unterstützen“, zeigt sich Groen zuversichtlich.
In den USA und Europa sind mehr als 2.500 Fälle der C9orf72-Variante von ALS erfasst. Schätzungsweise 9.000 Mutationsträger, die derzeit keine Symptome zeigen, bei denen aber das Risiko besteht, innerhalb von 10 Jahren zu erkranken, könnten ebenfalls von dem neuen Ansatz profitieren.