Ethikrat ist gegen Impfpflicht für alle

Spahn will Impfpflicht für Kinder einführen. Der deutsche Ethikrat widerspricht und appelliert an die Moral der Eltern
Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) zählt Impfskepsis zu einer der zehn größten weltweiten Bedrohungen für die Gesundheit. Hintergrund sind fortdauernde Masernausbrüchen in der europäischen Region, wo in 14 Monaten mehr als 100.000 Menschen an Masern erkrankten. Auch Deutschland ist stark betroffen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will deshalb eine gesetzliche Masernimpfpflicht in Deutschland einführen und hat bereits einen entsprechenden Referentenentwurf vorgelegt.
Ethikrat sieht moralische Pflicht zur Impfung
Nun hat der Deutsche Ethikrat eine Stellungnahme zur Masernimpfpflicht vorgelegt. Darin spricht er sich gegen eine Impfpflicht für alle Erwachsenen und Kinder aus. Die Einführung einer gesetzlichen Masernimpfpflicht empfiehlt er nur für Berufsgruppen in „besonderer Verantwortung“, also etwa Ärzte, Pflegepersonal oder Lehrer.
Allerdings stellen die Ratsmitglieder fest, dass Impfen gegen eine hochansteckende Infektionskrankheit wie die Masern keine reine Privatangelegenheit sei. Jeder Mensch sei moralisch verpflichtet, sich selbst gegen Masern impfen zu lassen und gegebenenfalls auch für einen entsprechenden Impfschutz der eigenen Kinder zu sorgen.
Eine Welt ohne Masern wäre möglich
Drei Argumente für die moralische Verpflichtung zur Impfung führt der Ethikrat ins Feld:
Erstens gebe es in jeder Gesellschaft besonders schutzbedürftige Menschen, die etwa aus medizinischen Gründen selbst nicht gegen Masern geimpft werden könnten, bei denen die Erkrankung jedoch einen besonders schweren Verlauf nehmen könne. „Diese Menschen können nur dadurch vor Ansteckung geschützt werden, dass ein hinreichend hoher Anteil der Bevölkerung gegen Masern geimpft ist“, schreibt der Rat.
Zweitens gehe aus auch um eine generationenübergreifende Verantwortung, da die Masern zu den Krankheiten zählen, die sich durch weltweit koordinierte Anstrengungen gänzlich ausrotten lassen.
Und drittens sei die Masernimpfung hochwirksam und sehr gut verträglich.
Maßnahmen zur Erhöhung der Impfquoten
Trotz dieser Aspekte hält der Deutsche Ethikrat staatliche Zwangsmaßnahmen zur Durchsetzung einer Impfung für nicht gerechtfertigt. Gerade im Fall der vieldiskutierten Impfpflicht für Kleinkinder in Tagesbetreuung und für Schulkinder sei eine Impfpflicht unverhältnismäßig, da in diesen Altersgruppen die Impfquoten insgesamt sehr hoch seien.
Um die Impfquoten zu erhöhen, empfiehlt das Gremium eine intensivierte Beratung der Eltern und Impfaktionen in den Einrichtungen selbst. Ausschlüsse aus Bildungs- und Erziehungseinrichtungen sollten nur in individuell begründeten Ausnahmefällen möglich sein. Zusätzlich ist nach Ansicht des Ethikrats die verhältnismäßig große Gruppe der ungeimpften Erwachsenen verstärkt in den Blick zu nehmen. Sie sollte dringend mit speziellen Aufklärungs- und Impfkampagnen angesprochen werden. Eine weitere Möglichkeit seien Impf-Erinnerungssystemen in Arztpraxen.
Erst wenn diese Maßnahmen nicht den gewünschten Erfolg zeigten oder sich die Gefahrenlage durch um sich greifende Masernepidemien erheblich verändern würde, wären verpflichtende und sanktionierende Regelungen für weitere Bevölkerungsgruppen in Erwägung zu ziehen, heißt es weiter.
Impfpflicht nur für Personen mit besonderer Verantwortung
Eine Impfpflicht für Personal im Gesundheits-, Sozial- und Bildungswesen hält der Ethikrat dagegen heute schon für angebracht, da diese Personen eine Infektionen mit erhöhter Wahrscheinlichkeit weitergeben. Nur ein Ratsmitglied stimmte in einem Sondervotum gegen jede Form einer staatlichen Impfpflicht.
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