Elf Millionen Tonnen Obst und Gemüse landen jährlich im Müll

Zu hässlich für uns? Bio-Äpfel wie gewachsen - mit Runzeln, Flecken und nicht normgerechten Formen. Ein Drittel des produzierten Obsts und Gemüses wird allein aus Schönheitsgründen vernichtet. In den Handel kommt es gar nicht mehr. – Foto: AdobeStock/KEA
Antioxidantien, Ballaststoffe, Vitamine: Obst und Gemüse schützen den Menschen vor vielen Krankheiten wie Herzinfarkt, Diabetes oder Krebs. Regelmäßig ist eine gesunde Ernährung und ihre Präventions- und Heilwirkung deshalb Thema in unseren Artikeln hier auf Gesundheitsstadt Berlin. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) hat jetzt Zahlen zum Umgang der Menschheit mit Agrarprodukten vorgelegt, die von erschreckend wenig Wertschätzung zeugen. 17 Prozent aller – teils unter erheblichem Aufwand hergestellten – Lebensmittel landen Jahr für Jahr weltweit nicht auf dem Tisch, sondern ungenutzt im Abfall. „Die Folge von Lebensmittelverschwendung und -verlusten ist ein nicht hinnehmbarer Raubbau an Ressourcen wie Energie, Wasser, Ackerflächen und Arbeitskräften", sagt DBU-Generalsekretär Alexander Bonde.
Ein Kilo Käse: Herstellung verschlingt 5.000 Liter Wasser
Zwei Beispiele dafür, wie viel Aufwand hinter der Herstellung schon ganz gewöhnlicher Lebensmittel stecken kann: Äpfel und Käse. Für die Herstellung von einem Kilogramm Äpfel etwa sind der Umweltstiftung zufolge 820 Liter Wasser nötig. Das entspricht den Empfehlungen von Ernährungswissenschaftlern für den Flüssigkeitsbedarf eines Erwachsenen in einem ganzen Jahr. Bei einem Kilogramm Käse sind es sogar mehr als 5.000 Liter Wasser. Das Umweltbundesamt geht davon aus, dass allein in Deutschland für die Lebensmittel, die ein Mensch pro Jahr kauft, 84 Badewannenfüllungen an Wasser verbraucht werden. Gleichzeitig haben rund zwei Milliarden Menschen weltweit keinen regelmäßigen Zugang zu sauberem Wasser, besagen Zahlen des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen (UNICEF).
Umsonst verspritze Pestizide, umsonst verfüttertes Futter
Der Wasserbrauch ist dabei nur ein Teil aller Umweltfolgen von Lebensmittelverlust und -verschwendung. Ungenutzte Lebensmittel bedeuten auch: umsonst ausgestoßene klimaschädliche Treibhausgase bei Produktion und Transport; umsonst ausgebrachte umweltbelastende Pflanzenschutz- oder Düngemittel; oder umsonst verfüttertes Futter Bei einem sorgsameren Umgang mit Lebensmitteln hätten sie eingespart werden können.
Lebensmittelverlust: Die Zahlen für Deutschland, EU und die Welt
Allein in Deutschland landen laut DBU jedes Jahr rund elf Millionen Tonnen Lebensmittel ungenutzt im Müll. Pro Kopf sind das fast 80 Kilogramm – das Gewicht eines kräftigen erwachsenen Mannes. Global sind die Dimensionen offenbar noch dramatischer: Nach Schätzungen der Vereinten Nationen (UN) gehen weltweit pro Kopf und Jahr zwischen 180 bis 190 Kilogramm Lebensmittel verloren: Rund 17 Prozent aller Lebensmittel landen Jahr für Jahr ungenutzt im Abfall. Andere Schätzungen berechnen sogar einen Anteil von rund 30 Prozent. Die Menge der weltweit verschwendeten – obwohl eigentlich noch verwendbaren – Lebensmittel bewegt sich demnach in einem Korridor zwischen etwa 930 Millionen und zwei Milliarden Tonnen Lebensmittel – jedes Jahr. In Europa belaufen sich die Lebensmittelverluste laut UN auf 95 bis 115 Kilogramm pro Kopf und Jahr.
Entwicklungsländer: Viel Verlust durch mangelhafte Lagerung oder schlechte Transportwege
Als „besorgniserregend“ wertet die Bundesstiftung die Lage in den sogenannten Entwicklungsländern, weil hier bis zur Hälfte aller Lebensmittel bereits auf dem Weg vom Acker zum Teller verderben – teils wegen mangelhafter Lagerung, teils aufgrund von unzureichenden Transportwegen oder schlicht wegen fehlender Vermarktungsoptionen.
Zu krumm, zu runzelig: Ein Drittel der Produktion an Obst und Gemüse wird allein aus Schönheitsgründen vernichtet
Die Obst- und Gemüseproduktion leidet noch aus einem weiteren Grund unter enormen Verlusten: wegen der Vernichtung von Obst und Gemüse, das „nicht normgerecht“ gewachsen ist – runzelig, fleckig, krumm. Schätzungen zufolge gelangt – trotz qualitativ einwandfreier Ware – nahezu ein Drittel der Ernte an Äpfeln, Gurken, Tomaten und anderen Gewächsen gar nicht erst in den Handel und wird nur deshalb entsorgt, weil seine Form nicht ganz der Norm entspricht.
Start-up bringt Früchte mit Schönheitsfehlern in den Verkauf
Immerhin: Ein neues Start-up-Unternehmen namens „Querfeld“, das von der Bundesstiftung mit gut 300.000 Euro gefördert wurde, schickt sich an, sogenanntes nicht normgerechtes Obst und Gemüse mithilfe einer Online-Plattform doch in den Verkauf zu bringen. Fast 570.000 Kilogramm krummes Obst und Gemüse konnte das Unternehmen laut DBU bisher bereits vor einer Vernichtung retten.