Einsamkeit belastet seelische und körperliche Gesundheit

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Gemeinsam oder einsam? Die zurückliegende Advents- und Weihnachtszeit und die bevorstehende Jahreswende sind geprägt von der Vorstellung des Feierns im Kreise von Familie und Freunden. Für einsame Menschen gestalten sich die Wochen bis zum Fest und über die Feiertage besonders schlimm.
Einsamkeit belastet die seelische und körperliche Gesundheit. Das zeigen Experten aus Psychotherapie und Medizin in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift "PiD – Psychotherapie im Dialog" (Georg Thieme Verlag, 2022). Die Zahlen sind gestiegen. Während der Corona-Pandemie 2021 gaben rund 42 Prozent der in Deutschland lebenden Menschen an, sich einsam zu fühlen.
Einsame nehmen sich selbst als unzureichend wahr
Wissenschaftlich wird Einsamkeit als wahrgenommene Diskrepanz zwischen den gewünschten und den tatsächlichen sozialen Beziehungen definiert. Im Gegensatz zum Alleinsein ist Einsamkeit kein selbst gewählter Zustand.
Einsame nehmen die Qualität ihrer sozialen Beziehungen, aber auch sich selbst als unzureichend wahr: "Betroffene erleben sich in verschiedener Hinsicht als defizitär und sehen keine Chance, den Zustand mit eigenen Ressourcen zu ändern", berichtet der Pädagoge und Autor Thomas Hax-Schoppenhorst.
Von Armut betroffene Menschen besuchen seltener andere
Armut, Migrationshintergrund, seelische und körperliche Erkrankungen sowie eine intensive Social-Media-Nutzung, die unmittelbare Kontakte ersetzt, erhöhen laut Hax-Schoppenhorst das Risiko.
Von Armut betroffene Menschen besuchen seltener andere und empfangen umgekehrt weniger Gäste als finanziell gut gestellte. Der Verlust des Arbeitsplatzes verändert die Zusammensetzung des Freundeskreises. "Nach längerer Zeit in Armut, gehören weniger Menschen mit einem festen Arbeitsplatz dazu" erklärt Hax-Schoppenhorst in einer Pressemitteilung. Dadurch nimmt das Gefühl, sozial ausgegrenzt zu sein, zu.
Risikofaktoren Migration und chronische Erkrankungen
Auch unter Menschen mit direktem Migrationshintergrund, die im Ausland geboren sind und jetzt hier leben, sei der Anteil der von Einsamkeit Betroffenen mit 15 Prozent besonders hoch. Anders als ihre Kinder arrangieren sich Migranten der ersten Generation häufig weniger gut mit der hiesigen Kultur. Zudem nehmen sie im Vergleich zur deutschen Bevölkerung erst sehr spät psychotherapeutische Hilfsangebote wahr.
Menschen mit (chronischen) körperlichen Erkrankungen nehmen meist weniger an sozialen Aktivitäten teil. Nicht selten fühlen sie sich im Vergleich zu Gesunden als nicht "voll funktionsfähig". "Das führt zu Rückzug" so Hax-Schoppenhorst. Psychisch Erkrankte scheuen oft die Kontaktsuche und pflegen eher Kontakt zu ebenfalls Erkrankten.
Einsamkeit belastet die seelische und körperliche Gesundheit
Untersuchungen zeigen in Abhängigkeit vom Ausprägungsgrad der Vereinsamung graduell systolische Blutdruckanstiege um jeweils 5 mmHg. "Vereinfachend lassen sich diese Ergebnisse auf die provokante Formel bringen: Je größer die Einsamkeit desto höher der Blutdruck", berichtet Dr. Roland Prondzinsky. Die Einsamkeit belastet also die seelische und die körperliche Gesundheit.
Umfassende Metaanalysen von Patientendaten zeigen zudem, dass Einsamkeit das Risiko für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall um 29 beziehungsweise 32 Prozent erhöht. Damit erhöht Einsamkeit das Risiko in etwa so wie Rauchen, Angst oder Arbeitsstress.
Ruhr-Universität hat Einsamkeitssprechstunde
Der Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie plädiert deshalb dafür, Einsamkeit mehr als bisher in der kardiovaskulären Risikoabschätzung mitzudenken. Nehmen Menschen aufgrund ihrer Einsamkeit psychotherapeutische Hilfe in Anspruch, sollten Therapierende eine ärztliche Abklärung möglicher Herz-Kreislauf-Erkrankungen empfehlen.
Weitere Beiträge der Fachzeitschrift widmen sich der Einsamkeit in verschiedenen Lebensphasen. Darüber hinaus werden ein internetbasiertes Selbsthilfeprogramm zur Reduktion chronischer Einsamkeit vorgestellt sowie die Spezialsprechstunde "Einsamkeit" des LWL-Universitätsklinikums der Ruhr-Universität Bochum.